Globale Diaspora der Hmong Global Diaspora of the Hmong ASEAS 1 (1) Globale Diaspora der Hmong Global Diaspora of the Hmong Grit Grigoleit M.A., Universität Passau ASEAS - Österreichische Zeitschrift für Südostasienwissenschaften / Austrian Journal of South-East Asian Studies, 1 (1), 2008 SEAS - Gesellschaft für Südostasienwissenschaften - www.SEAS.at Gegenwärtige Diaspora-Konzeptionen führen die Bewahrung der Identität in der Fremde vor allem auf folgende interne Faktoren zurück: eine institutionalisierte globale Vernetzung, die Konstruktion einer Heimat und eine Rückkehrorientierung. Diaspora-Gemeinschaften werden dabei als in sich geschlossene, homogene Kollektive kontextualisiert. Externe Faktoren wie der Einfluss des Gastlandes, der eine Stratifizierung nach sozialen Klassen, Gender oder Generationen zur Folge hat, sind dagegen bisher wenig beachtet worden. Die in der Diaspora lebende ethnische Gruppe der Hmong versucht gleichermaßen ihre Identität zu bewahren. Die US-amerikanische Gemeinschaft entwickelte zudem diverse Heimatkonzeptionen, die eine Differenzierung nach Generationen zulassen. In diesem Beitrag werden Antworten auf folgende Fragen zur Diskussion gestellt: Welche Unterschiede lassen sich in der Konstruktion der Heimat zwischen der Einwandergeneration und in den USA sozialisierten Generationen feststellen? Gibt es analog zu Eisenstadts Trägergruppen für die Konstruktion der nationalen Identität ebenso erkennbare Kollektive in der US-amerikanischen Hmong Gemeinschaft, die eine diasporische Identität inaugurieren und prägen? Einleitung Die Teilnahme der in Laos lebenden Ethnie der Hmong am Secret War zur Unterstützung US-amerikanischer Truppen hatte zur Folge, dass mit der Beendigung des Krieges �975 65 ASEAS 1 (1) mehrere Tausende Hmong als politische Flüchtlinge in westlichen Ländern Zuflucht suchten.� Hauptaufnahmeländer, die Asyl boten, waren unter anderem die USA, Frankreich, Australien und Kanada.2 Derzeitigen Schätzungen zufolge leben gegenwärtig in den USA 250.000, in Frankreich �0.000, in Französisch-Guyana �.000, in Australien 2.000, in Kanada 800 und in Deutschland zirka 80 Hmong (Leepreecha zitiert nach Tomforde 2005: �4�).� Die ab �975 einsetzende Zwangsmigration der Hmong von Südostasien in die westliche Hemisphäre ließ eine Situation entstehen, die als Diaspora bezeichnet werden kann. Die Bedeutung des aus dem Griechischen stammenden Wortes Diaspora ist Zerstreuung oder Verbreitung (Mayer 2005: 8). Es bezog sich ursprünglich ausschließlich auf die Lebenssituation religiöser Gemeinschaften, die inmitten einer andersgläubigen Umwelt siedelten. Die aus den Erfahrungen der in der Fremde lebenden Juden und Urchristen abgeleiteten Einsichten wurden später auch auf nicht-religiöse Gemeinschaften übertragen. In diesem in den Kultur- und Sozialwissenschaften verankerten Diskurs verwies Diaspora nicht nur auf religiöse, sondern nun auch auf ethnische Gemeinschaften, die sich durch Vertreibung oder Emigration von einem realen oder imaginierten Heimatort auf mindestens zwei oder mehrere geografische Orte, Nationen oder Regionen verteilten, in denen sie fortan zumeist als Minderheit lebten (Safran �99�: 8�; Mayer 2005: ��; Braziel, Mannur 200�: �). Die einzelnen Mitglieder des diasporischen Kollektives zeichneten sich dabei durch ein Bewusstsein über den Zustand des absoluten ‚Zerstreut-Seins’ aus. Dieses Bewusstsein war unter anderem geprägt von einer Historizität der Entwurzelung und des Leidens, einer meist kollektiven und idealisierten Konstruktion der Heimat, die sich durch eine Institutionalisierung im Aufnahmeland manifestierte und damit oftmals eine Heimatorientierung verband (Safran �99�: 8�; Cohen, R. �997: 26). Im Falle der Hmong liegt diesem Begriffsverständnis nach eine besondere Diaspora- Situation vor. Sie verfügten zu keinem Zeitpunkt in ihrer Geschichte über ein eigenes Territorium oder über einen eigenen Staat, aus dem eine Vertreibung erfolgte. Von den ursprünglichen Siedlungsgebieten entlang des Gelben Flusses in China zogen Tausende Hmong in die nahezu unzugänglichen Bergregionen der südwestlichen Provinzen Yunnan, Guizhou, Hunan und Guangxi, um dem zunehmenden Sinisierungsdruck der Politik und Gesellschaft dominierenden ethnischen Han-Chinesen auszuweichen. Im �9. Jahrhundert erstreckten sich die Migrationsbewegungen einzelner Hmong Clans bis in die Gebiete des heutigen Südostasiens (Yang, D. �99�). Auf der Suche nach neuem Lebensraum stellte Laos für sie eine neue Wahlheimat dar, in der sie neben einer Vielzahl ethnischer Gruppierungen als Minderheit � Die Rolle der Hmong im Vietnamkrieg vom ersten Kontakt �959 der Hmong mit den U.S. Special Forces bis zur Formierung der Hmong Special Guerilla Units durch die CIA ab dem Jahre �96� wird in der entsprechenden Literatur ausreichend diskutiert. Vgl. dazu Schanche �970; Hamilton-Merritt �99�; Morrison �998; Quincy 2000; McCoy 200�. 2 Eine erste Einführung in die jeweilige Situation und den Werdegang der Hmong in den westlichen Aufnahmeländern findet sich in Yang, K. 200�. � Die angegebenen Zahlen entsprechen aufgrund nicht vorhandener statistischer Angaben derzeitigen Schätzungen. Vgl. auch Culas, Michaud 2004: 92; Yang, K. 200�: 277. 66 Grit Gigoleit - Globale Diaspora der Hmong ASEAS 1 (1) in den Bergen lebten. Gleiches traf auf Thailand oder auch Vietnam zu. Eine erzwungene Emigration als Voraussetzung einer Diaspora erfolgte jedoch nur aus Laos. Mit dieser Zwangsmigration entstand eine nationale Grenzen überschreitende Zerstreuungssituation, die eine im Sinne von Benedict Anderson imaginierte Gemeinschaft entstehen ließ. Andersons (�98�) einflussreiche These der imagined communities lässt sich von der Vorstellung der Nation als eine imaginierte politische Gemeinschaft auf diasporische Kollektive übertragen. Da sich die einzelnen Mitglieder mit einem diasporischen Großkollektiv verbunden fühlen, dessen Angehörige sie niemals sehen, ihnen begegnen oder von ihnen hören werden (Anderson �99�: 6), sind diasporische Kollektive gleichermaßen imaginiert. Dennoch hat jeder Einzelne volles Vertrauen in ein anonymes und gleichzeitiges Handeln des Kollektives (Anderson �997: 48). Das Großkollektiv Hmong als eine imaginierte Gemeinschaft versteht sich als ein Verbund von Gleichen (vgl. Anderson �99�: �7), der durch die gemeinsame Erfahrung der Vertreibung in der Vergangenheit und den Neuanfang in einem anderen Land maßgeblich geprägt wurde. Entscheidend hierbei ist die Größe des Kollektives damit es sich nicht nur als eine imaginierte, sondern auch als diasporische Gemeinschaft konstituiert (Safran 2004: �7). Der demografische Faktor bedingt die Entstehung von Institutionen, die beispielsweise Sprache, Religion und Traditionen der diasporischen Gemeinschaft auch in der Fremde bewahren und das kollektive Wissen an die nachfolgenden Generationen vermitteln. Mittels dieser primordialen Elemente wird eine diasporische Identität, in der sich das Großkollektiv Hmong als eine ethnische Einheit erachtet, betont und aufrechterhalten. Das Bestreben nach einer uniformen, die Hmong vereinenden Identität drückte der in Australien lebende Hmong Gary Yia Lee in einer programmatischen Rede anläßlich des zweiten internationalen Symposiums der Hmong �995 folgendermaßen aus: „The Hmong, no matter where they are, need to know that the total sum is always bigger than its parts: the overall global Hmong identity is greater than its many local differences and groups. [...] The biggest challenge for all Hmong is how to apply their joint skills, [...], to turn our diverse language and customs into one unified and one Hmong/Miao identity“ [...] (Lee, G. 1996: 14). Wie aus dem Zitat deutlich hervorgeht, soll dabei eine kollektive Hmong Identität erschaffen werden, welche die unterschiedlichen kulturellen Merkmale zu einer allgemein gültigen Norm formt. Im Folgenden werden die einzelnen Mechanismen diskutiert, die eine Konstruktion einer vermeintlich homogenen Identität ermöglichen. Neben der Errichtung familialer als auch informeller Netzwerke, welche die Hmong über die Kontinente hinweg miteinander verbinden, dient vor allem auch die Konzeption von Heimat und Ursprung als identitäts- und konsensstiftendes Element. 67 ASEAS 1 (1) Konstruktion und Bewahrung der Hmong Identität Living locally – Acting globally: Transnationale Netzwerke Die Bewahrung einer einheitlichen Hmong Identität wird durch die weltweite Vernetzung der diasporischen Hmong Gemeinschaften ermöglicht. Hierbei lassen sich zunächst zwei Arten der Vernetzung voneinander unterscheiden. Zum einen gibt es ein familiales Netzwerk, das sich auf Basis der Clanzugehörigkeit formiert. Der Clan, Xeem, als die größte soziale Einheit bildet die Basis jeglicher sozialer Interaktionen.4 Auch nach der Umsiedlung in westliche Aufnahmeländer hielten zahlreiche Hmong trotz der weiten geografischen Distanzen soziale Beziehungen mit Familienmitgliedern in Thailand und anderswo aufrecht und nahmen aktiv am sozialen und ritualen Leben der erweiterten Familie beziehungsweise des Clans teil. Roberta Julian (2004-05) führte in ihrer Untersuchung über die US-amerikanische und australische Hmong Gemeinschaft aus, wie ein familiales Netzwerk soziale Bindungen stärkt, Stabilität schafft und unter gegebenen Umständen eine transnationale Solidarität mobilisiert. Aktivitäten des Alltagsleben, Festivitäten wie beispielsweise das traditionelle Neujahrsfest (Peb Caug) oder auch rites de passage wie Geburt, Hochzeit und Tod stellen dabei Gelegenheiten dar, um neue Verbindungen und soziale Beziehungen über geopolitische Grenzen hinweg zu schaffen und zu konsolidieren. Transatlantische Hochzeiten, die beispielsweise einzelne Hmong Familien aus Frankreich mit Französisch-Guyana (Clarkin 2005) oder auch aus Deutschland mit den USA (Yang, T. 200�) verbinden, zeugen ebenso von einer hohen Mobilität und erweitern die soziokulturellen Verbindungen. Angesichts verbilligter Reisemöglichkeiten wächst die Bedeutung solch geschaffener sozialer Netzwerke weiter an. Neben dem informellen, familialen , entwickelte sich mit dem vermehrten Einsatz elektronischer Medien auch ein offizielles Netzwerk zwischen der westlichen Diaspora und Südostasien, das gleichermaßen Generationen umspannend wirkt. Neue Kommunikationsmöglichkeiten, wie beispielsweise virtuelle Gesprächsräume im Internet, begünstigen eine sofortige Verbreitung von Informationen und lassen zudem neue soziale multilokale Räume entstehen. Auf eigens eingerichteten Websites und Internetforen werden weltweit aktuelle Probleme der Hmong, insbesondere Verstöße gegen die Menschenrechte, diskutiert. Ebenso lassen sich Ankündigungen zu den kulturellen Aktivitäten einzelner Hmong Gemeinschaften oder auch spezielle Hinweise über Reisemöglichkeiten und Visabestimmungen finden. Dieser augenblickliche Austausch von Nachrichten und Neuigkeiten führt dabei zu einer besonderen Dynamik und Mobilität innerhalb der einzelnen Hmong 4 Die exakte Anzahl der Clans variiert je nach untersuchter Quelle. So spricht Thao, P. (�999: �2-��) beispielsweise von ursprünglich �2 Clans in China, die sich im Laufe der Zeit in �8 Clans ausgeweitet und heute noch in dieser Form Bestand haben. Aufgrund der zahlreichen Untergruppierungen ist es jedoch schwierig eine eindeutige Abgrenzung und Zugehörigkeit zu einen bestimmten Clan zu vollziehen. 68 Grit Gigoleit - Globale Diaspora der Hmong ASEAS 1 (1) Gemeinschaften. Analog zu Benedict Andersons (�99�) Ausführungen über Printmedien, die ein gemeinsames nationales Bewusstsein auch ohne face-to-face- Beziehungen erzeugen, wird mittels des Einsatzes elektronischer Medien im Großkollektiv Hmong ein entsprechendes Zusammengehörigkeitsgefühl konstruiert, das jedoch von einem ausgeprägten Bewusstsein der „globalen Zerstreuung“ gekennzeichnet ist (Anthias 200�: 6��; Clifford �994). Neben der in allen diasporischen Gemeinschaften stattfindenden Vernetzung sind die Möglichkeiten der Konstruktion einer homogenen Identität und deren Bewahrung immer in Abhängigkeit zur sozialen und politischen Umgebung des jeweiligen Aufnahmelandes zu sehen und können dabei unterschiedliche Ausdifferenzierungen annehmen (Anthias �998; Safran 2004). Milton Esman (�986 in: Hutchinson, Smith �996: ��8) benennt in diesem Zusammenhang drei Faktoren, die für Ausmaß und Intensität der Identität von Bedeutung sind: materielle, kulturelle und organisatorische Ressourcen; die strukturellen Möglichkeiten des Gastlandes sowie die Motivation, Solidarität und Empathie mit Mitgliedern der Gruppe in anderen Aufenthaltsländern aufrechtzuerhalten. Übertragen auf die Diaspora der Hmong gelang es vor allem der US-amerikanischen Gemeinschaft, diese drei Faktoren umzusetzen. Konstitutionell verankerte Rechte und Freiheiten sowie die politisch multikulturelle Ausrichtung der USA ermöglichten es dem Kollektiv der Hmong diverse Einrichtungen und formale Zusammenschlüsse zu bilden und ihrer Identität damit einen sichtbaren Ausdruck und zugleich Permanenz zu verleihen. Solche Mechanismen lassen sich vor allem in der Enklave von Minneapolis/Saint Paul im Bundesstaat Minnesota finden. Mit mehr als 40.000 Hmong weisen die Schwesterstädte die höchste urbane Bevölkerungsdichte auf und bilden damit das soziokulturelle und politische Zentrum in den USA. Ein Indikator ist beispielsweise die Entstehung einer ethnischen Medienlandschaft, die, trotz der geografischen Distanz, Anteil an der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung in Südostasien nimmt. Lokale, von Hmong herausgegebene Wochenzeitungen wie die Hmong Today und Hmong Times sowie diverse Hmong Radiostationen berichten regelmäßig in Hmong und Englisch über aktuelle Geschehnisse in Laos und Thailand. Aber auch die Gründung eines akademischen (Hmong Studies Journal) sowie eines literarischen Journals (Paj Ntaub Voice), eines Archivs zur Bewahrung des Hmong Erbes (Hmong Archives), eines an der Concordia Universität integriertes Center for Hmong Studies oder auch das auf die Bildung von Jugendlichen ausgerichtete Hmong Cultural Center sind Beispiele einer weitreichenden Institutionalisierung der Hmong Diaspora in den USA. Einzelne Programme und Initiativen folgen dabei oftmals einem monolithischen Kulturverständnis. Die verstärkte Betonung traditioneller Aspekte wie beispielsweise die Ausbildung von klassischen Heiratsvermittlern führt häufig zu einer Re- Traditionalisierung in der westlichen Diaspora und lässt das Bild einer statisch erscheinenden Hmong Kultur entstehen. Kollektive Erinnerungen werden immer wieder synchronisiert und 69 ASEAS 1 (1) vereinheitlicht (Mayer 2005) und gelten fortan als Standardisierungen in dem Bestreben nach einer einheitlichen Hmong Identität. Die Auswirkungen der Nutzung verfügbarer Ressourcen und struktureller Möglichkeiten sowie des letztgenannten Faktors, Solidarität und Empathie mit den Mitgliedern in anderen Exilgemeinden zu teilen, lässt sich an folgendem Beispiel aufzeigen und zusammenfassen. Im Oktober 2005 und den Folgemonaten lief eine Welle des Protestes durch die US-amerikanische Hmong Gemeinschaft. Anlass war die Meldung, dass die Leichname von in Wat Tham Krabok5 verstorbenen Hmong nach der offiziellen Schließung der Siedlung im Mai 2005 exhumiert worden waren. Nach einer Anordnung des thailändischen Gesundheitsministeriums wurden Schätzungen zufolge bis zu �027 Grabstellen ausgehoben, um eine Verschmutzung des Grundwassers und damit die Verbreitung von Krankheiten in den angrenzenden Dörfern zu verhindern (Asian American Press, 27.0�. 2007). Die Exhumierung erfolgte nach einem buddhistischen Ritual, das die physische und spirituelle Reinigung der Knochen beinhaltete, einer im Anschluss von Mönchen durchgeführten Weihung sowie die von Gebeten begleitete Kremation. Nach traditioneller Hmong Religion stellte dies jedoch eine Schändung der Verstorbenen dar. Mit der Zerstörung der physischen Hülle des Körpers, wurde der Seele des Verblichenen das freie Geleit ins Jenseits versagt und folglich der Zyklus der Wiedergeburt empfindlich gestört. Die Empörung über die nach der religiösen Vorstellung der Hmong unsachgemäßen und würdelosen Behandlung der Gräber war demzufolge beachtlich. Es setzte eine Politisierung der Gemeinde ein, als mit Hilfe von Menschenrechtsaktivisten des Human Rights Program der Universität von Minnesota, Demonstrationen und Unterschriftensammlungen an den US-Kongress, an die Regierung, die Botschaft und das Königshaus Thailands sowie UN-Beauftragte für religiöse Intoleranz und gegenwärtigen Rassismus auch die öffentliche Aufmerksamkeit massiv auf die Lage in Wat Tham Krabok gelenkt und medial ausgewertet wurde.6 Wie dieses Beispiel verdeutlicht, wurde ein lokales, auf Zentralthailand begrenztes Ereignis zum Mittelpunkt des allgemeinen Interesses einer global vernetzten Diaspora. Ressourcen und strukturelle Möglichkeiten in den USA ließen eine politische Mobilisierung einzelner Mitglieder zu. Die US-amerikanische Hmong Gemeinschaft schöpfte dabei aus dem vorhandenen Repertoire an politischen Strategien der Einflussnahme wie beispielsweise ein gemeinsames Lobbying, um ein konkretes Ziel – die Beendigung der Exhumierung – zu erreichen. Die Nutzung 5 Nach der offiziellen Schließung der Flüchtlingslager in den �990er Jahren in Thailand, bildete die als Drogen- Rehabilationszentrum bekannte buddhistische Tempelanlage Wat Tham Krabok eine Zufluchtsstätte für die noch in Thailand verbliebenen Hmong Flüchtlinge. Nach dem Tod des Abtes wurden die Hmong im April 200� unter die Aufsicht des thailändischen Militärs gestellt. Im Dezember 200� verkündete das US-State Departement in einer offiziellen Erklärung, dass letztmalig zirka �5.000 Hmong aus Wat Tham Krabok im Sinne einer Familienzusammenführung die Einreise in die USA gewährt wird. Bis Ende 2005 wurde die Mehrheit der Flüchtlinge vornehmlich in den Hmong- Gemeinden Kaliforniens und des Mittleren Westens eingegliedert. 6 Die Ereignisse wurden besonders von den Wochenzeitungen der Hmong Gemeinde Hmong Today, Hmong Times und die panasiatische Gemeinde betreffende Asian American Press in Minneapolis/Saint Paul emotional aufgewertet und dokumentiert. 70 Grit Gigoleit - Globale Diaspora der Hmong ASEAS 1 (1) moderner Kommunikationstechnologien verband des Weiteren die transnationalen Aktivitäten der einzelnen Gemeinschaften in den USA mit Thailand. Die einzelnen Mitglieder beteiligten sich dabei sowohl in der Herkunfts- als auch in der Residenzgesellschaft über familiäre Bande hinaus. Das gemeinsame Auftreten als eine Interessengruppe erlangte internationale Beachtung (vgl. Brah �996: �95) und förderte zudem die Solidarität und Empathie unter den Mitgliedern der Diaspora. Gleichermaßen stärkte das gemeinsame Vorgehen die Wahrnehmung einer kollektiven Hmong Identität trotz der globalen Zerstreuungssituation. Heimatländer der Fantasie? Reale und Imaginierte Heimatkonzeptionen Neben dem Bewusstsein der Zerstreuung ist die Identität von Diaspora-Gemeinschaften oftmals von rivalisierenden Zugehörigkeiten und Loyalitätsbekundungen zwischen dem Lokalen (Aufnahmeland) und dem Globalen (Heimatland) geprägt (Anthias 200�; Clifford �994). In diesem Spannungsfeld steht einer im Aufnahmeland erreichten Akkomodation ein zumeist kollektives Konstrukt der fernen „Heimat“ und des Ursprungs gegenüber. Der Grundsatz „to stay and to be different“, mit dem James Clifford (�994: �08) die Parität zwischen Anpassung und gleichzeitiger kultureller Abgrenzung der schwarzen Diaspora in Großbritannien kennzeichnete, zeigt, dass eine Zugehörigkeit oftmals nicht eindeutig verortet werden kann. Ein gemeinsamer, zumeist mythifizierter Ursprung trägt ähnlich dem Konstrukt der Nation auch bei einer diasporischen Gemeinschaft zu einem identitätsstiftenden Zusammenhalt bei (Smith �986: 24; Cohen �997: 26). Die Konstruktion des Ursprungs und der Heimat ist hierbei ein dynamischer Prozess, der multiple Lokalitäten in Form von realen geografischen Plätzen oder imaginierten Räumen entstehen lässt. Die in dieser Form konstruierte Heimat bildet dann den Ort mit dem spirituelle, emotionale und kulturelle Zugehörigkeiten assoziiert werden (Safran 2004: ��) und damit einen wichtigen symbolischen als auch physischen Referenzpunkt für die diasporische Gemeinschaft. Die Heimatkonstruktionen der Hmong sind ebenso multilokal (Schein �999). Für die in Südostasien verstreut lebenden Hmong diente die Vorstellung eines imaginierten Heimatlandes (Rushdie �992) in China als ein vereinendes Symbol. In zahlreichen Legenden mythifiziert und romantisiert, versinnbildlichte es die Symbiose zwischen den Hmong als Ethnie mit einem spezifischen Territorium (Smith �986: 28; Schein 2004: 27�). Während China als ein abstraktes Ideal einer nostalgisch verklärten Vergangenheit – das Land der Ahnen und traditionellen Kultur – konzeptualisiert wird, bildet Laos hingegen ein Heimatland, das aus konkreten individuellen Erinnerungen und Vorstellungen geformt ist (Schein �999: 706; Yang, K. 200�: 295). Trotz der durch den Vietnamkrieg verursachten Zerstörung, der Aufgabe des agrarischen Lebensstils 71 ASEAS 1 (1) und der traumatischen Flucht nach Thailand wurde Laos zum Referenzpunkt der westlichen diasporischen Gemeinschaft (Tomforde 2005: �45). Die Konstruktion einer Heimat wird gemäß den Diaspora-Konzeptionen (Cohen, R. �997: 26) von der gesamten Gemeinschaft getragen. In solch einem Diskurs werden diasporische Gemeinschaften als in sich geschlossene, homogene Systeme erfasst (vgl. Safran 2004). Nicht ausreichend reflektiert wird dabei, dass es sich um heterogene Kollektive handelt, die beständigen Einflüssen der jeweiligen Aufnahmeländer unterliegen und demzufolge eine Stratifizierung beispielsweise entlang von sozialen Klassen, Gender und Generationen zulassen (Anthias �998; Julian 2004-05: 9). Im Falle des US-amerikanischen Hmong Kollektives lässt sich eine Differenzierung nach Generationen in der Konzeption von Heimat, Ursprung und Verortung nachzeichnen. Vorstellungen über die Lokalität der Heimat und die damit verbundenen sozialen und emotionalen Beziehungen variieren hierbei beträchtlich. Analog zu den von Shmuel Eisenstadt (�99�: 2�) konzipierten Trägergruppen, welche die Konstruktion einer nationalen Identität inaugurieren und prägen, sind es auch bei den Hmong nur bestimmte Gruppen des Kollektives, die eine Heimatkonzeption formieren. Der kulturellen Intelligenzia aus Eisenstadts Modell entsprechend ist es vor allem eine akademisch orientierte, gebildete Mittelschicht des Hmong Kollektives, das China als symbolisches Zentrum einer traditionellen Hmong Kultur wahrnimmt. Ökonomisch und sozial in der amerikanischen Mehrheitsgesellschaft integriert, ist es diesem, wenngleich auch sehr kleinem Segment möglich, sich auf kulturelle Spurensuche in China zu begeben. Eine stetige Zunahme an Dissertationen, Videodokumentationen, wissenschaftlichen Artikeln sowie eigens initiierten Forschungsreisen zu Hmong Dörfern, manifestieren China neben dem überlieferten Anspruch auch im akademischen Bereich als die vermeintlich kulturelle Heimat der Hmong (Julian 2004-05).7 Neben der Trägergruppe der Bildungselite konstruierte jedoch vor allem die ältere Generation, als Folge der Umsiedlung in Drittländer, aus der Fülle individueller Erfahrungen heraus ein ‚Heimatland der Fantasie’ (Rushdie �992), das in Laos lokalisiert ist. Es entstand hierbei ein Bild eines prärevolutionären Laos’, in dem sie frei und unabhängig von politischen Dominanzbestrebungen lebten. Ein Laos, das in dieser Form nie existierte und den sozialpolitischen Realitäten nur ungenügend entsprach (vgl. Cohen, R. �997; vgl. Beck-Gernsheim 2004). Dennoch verfügte es als imaginiertes Heimatland über genügend Anziehungskraft, so dass zahlreiche Hmong zunächst die Ausreise aus den Flüchtlingslagern in ein westliches Aufnahmeland verweigerten und später ernste Rückkehrabsichten bekundeten. 7 Das Center for Hmong Studies an der Concordia University, St. Paul, USA, beispielsweise bot im November 2000 erstmalig eine Studienreise nach China an, welche im Januar 2007 wiederholt wurde. Für eine vollständige Auflistung über wissenschaftliche Artikel, Thesen und Dissertationen über Hmong in China siehe die von Pfeiffer erstellte Bibliografie unter www.hmongstudies.com/HmongChina.html. 72 Grit Gigoleit - Globale Diaspora der Hmong ASEAS 1 (1) Die Entwicklung einer Rückkehrbewegung wird in den Diaspora-Konzeptionen wie bei Robin Cohen (�997: 26) von der gesamten Diaspora-Gemeinschaft getragen. In der vorliegenden Untersuchung war dies jedoch nur für ein bestimmtes Segment der Hmong Gemeinde zutreffend: bei den Veteranen. Zahlreiche ältere Hmong ließen eine zumeist nostalgisch verklärte Rückkehrorientierung erkennen.8 Diese war jedoch nicht ausschließlich symbolisch zu verstehen, um soziale Widrigkeiten und Marginalisierung im Aufnahmeland zu ertragen und sich darüber hinaus von der Mehrheitsgesellschaft abzugrenzen (vgl. Beck-Gernsheim 2004: 22). Laos vom Kommunismus zu „befreien“ und im Anschluss ähnlich der biblischen Analogie in das „gelobte Land“ einzuziehen, etablierte sich zu einer konkreten Vorstellung, die große Unterstützung fand. Wie eine dreiteilige Reportage der lokalen Tageszeitung Star Tribune von Minneapolis und Saint Paul, MN, vom Juli 2005 ausführte, konnte der im Vietnamkrieg zu Ruhm und Ehre erlangte General der Hmong Vang Pao sich auf den Heimkehrmythos berufen, um eine Rückbehrbewegung nach Laos zu realisieren. Vang Pao vertraute dabei auf eine loyale Anhängerschaft, die ein solches Vorhaben finanziell großzügig unterstützen würde. Gedanken an glorreiche Zeiten und alte ideologische Überzeugungen mobilisierend, gelang es ihm mit dem Verkauf von militärischen Rängen und monatlichen Kollekten mehrere Millionen Dollar für seine �98� gegründete Geheimorganisation Neo Hom (United Front for the National Liberation of Laos) zu erwirtschaften, um diese Rückkehrabsicht im Bewusstsein allgegenwärtig zu halten. Als im Laufe der Zeit jedoch immer deutlicher wurde, dass eine militärische Rückkehr nach Laos nur schwer umsetzbar ist, ließ auch die Bereitschaft zahlreicher Hmong Veteranen sich finanziell zu beteiligen zunächst einmal nach.9 Im Juni 2007 wurde jedoch ein erneuter Versuch von Vang Pao öffentlich bekannt. In einer am 4. Juni vom Justizministerium, dem Bureau of Alcohol, Tobacco, Firearms and Explosives (ATF) und dem FBI gemeinsam herausgegebenen Presseerklärung wurde die Vereitelung eines von ihm geplanten Putschversuches mitgeteilt. Gemäß der strafrechtlichen Anklageschrift plante Vang Pao mit dem Kauf von Waffen, Munition und Abwehrraketen im Wert von zehn Millionen US-Dollar die Durchführung des Sturzes der kommunistischen Regierung in Vientiane.�0 Einzelne Regierungsgebäude sollten dabei in einer Analogie zum Terroranschlag vom ��. September 200� in New York dem Erdboden gleich 8 Clarkin (2005) zog für seine schriftliche Befragung der Hmong in Französisch-Guyana als Vergleichsgruppe �08 Hmong Individuen im Alter von �8-5� aus den Bundesstaaten Rhode Island, Massachusetts, Wisconsin und Minnesota hinzu. Die Frage nach einer Rückkehr nach Laos, um dort für immer zu leben, wurde von 44,8% der US- amerikanischen Hmong mit „Ja“ beantwortet (im Vergleich zu �2,9% [entspricht �78 Personen] der Befragten in Französisch-Guyana). 9 Als im Rahmen einer staatsanwaltschaftlichen Untersuchung bekannt wurde, dass zahlreiche Spenden veruntreut bzw. für private Angelegenheiten der Familie Vang Pao genutzt wurden, führte dies zu einer Spaltung der Hmong Gemeinschaft in den USA. �0 Vang Pao sowie acht seiner Mitstreiter wurden am 04. Juni 2007 in Kalifornien verhaftet. Neben der Anklage der Verschwörung wird Vang Pao vor allem des Vergehens nach dem Neutrality Act bezichtigt, der konspirative, militärisch ausgerichtete Tätigkeiten gegenüber einem Land mit dem sich die USA im Friedensverhältnis befindet unter Strafe stellt. 73 ASEAS 1 (1) gemacht werden und symbolisch die Handlungsschwäche der kommunistischen Regierung Laos’ demonstrieren. Der geplante Putschversuch ließ damit nicht nur die Rückkehrorientierung wieder erheblich an Bedeutung und Aktualität gewinnen, sondern zeigte zudem deutliche Tendenzen in der Entwicklung eines wie Benedict Anderson (�998: 7�-74) formulierte „long- distance nationalism“ auf. Aus der Sicherheit des Aufnahmelandes USA heraus, war es Vang Pao möglich, mit Spendengeldern US-amerikanischer Hmong die anfänglichen Überfälle entlang der thailändisch-laotischen Grenze zu initiieren und einen Putschversuch zu planen. Die Auswirkungen und Konsequenzen des vereitelten Coup werden sich für die in Laos hinterbliebenen Hmong jedoch weitaus dramatischer gestalten als für Vang Pao und seine Gefolgsleute in den USA. In dem Spannungsfeld der Verortung der Heimat steht der Einwandergeneration die junge in den USA sozialisierte Generation der Hmong gegenüber. Die Konzeption der Heimat Laos trägt für die junge Generation nicht die Assoziationen von Freiheit und Selbstbestimmung, sondern wird stark von der US-amerikanischen soziokulturellen und politischen Umgebung beeinflusst. Die Erfahrungen der Adoleszenz in einem hoch technologisierten, postindustriellen Land, ließen eine Wahrnehmung von Laos entstehen, das sich im Vergleich zu den USA durch Armut, Korruption und Rückständigkeit auszeichnet. Attribute, die Laos als Heimat wenig attraktiv erscheinen lassen und folglich keine soziale, politische oder auch kulturelle Identifikation zulassen (vgl. Safran �99�: 9�). William Safran (2004: �5) bezeichnete diesen Vorgang als „Ent- diasporisierung“, da die einzelnen Merkmale wie beispielsweise das kollektive Bewusstsein der Zerstreuung, der Heimatmythos und kulturelle Elemente wie Sprache oder Religion abnehmen und an Bedeutung für die junge Generation verlieren. Durch externe Ereignisse in der Heimat (erneute Vertreibung) oder auch im Aufnahmeland (Marginalisierung) lässt sich das diasporische Bewusstsein jedoch re-mobilisieren. Die Bindungen der jungen Generation an das diasporische Kollektiv können dabei unabhängig von der durch das Generationsgefälle bedingten antagonistisch ausgeprägten Zuordnung von Zugehörigkeiten sporadisch wiederbelebt werden und entsprechende Handlungen hervorrufen. Radhakrishnan (200�: ��9) verweist in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit zu unterscheiden zwischen der reinen Aufnahme von Informationen und Kenntnissen über das Heimatland und einer tatsächlichen emotionalen Beteiligung, die erst eine Re-mobilisierung der diasporischen Identität bestärkt und eine Identifikation zulässt. In der Reaktion auf die jeweiligen Ereignisse zeigt sich neben dem Generationsgefälle zwischen vergangenheits- und zukunftsorientierter Gesinnung die Authentizität und das Ausmaß, in dem das diasporische Bewusstsein der jungen Generation revitalisiert werden kann. Exemplarisch lässt sich dies veranschaulichen an den im Dezember 2004 ratifizierten Miscellaneous Trade and Technical Corrections Act of 2004 (H.R. �047), wodurch die 74 Grit Gigoleit - Globale Diaspora der Hmong ASEAS 1 (1) �997 initiierten bilateralen Handelsbeziehungen der USA mit Laos zu normalisierten Handelsbeziehungen (NTR) ausgeweitet wurden (Lum 2004). Konservative und mehrheitlich ältere Hmong lehnten nicht nur dieses Vorhaben, sondern jegliche Zusammenarbeit mit der kommunistisch orientierten Regierung in Vientiane entschieden ab, da dies einem Verrat gleichkäme (vgl. Yang, K. 200�: 285). In Saint Paul protestierten daraufhin zirka 400 Hmong und ethnische Laoten vor dem Büro der Kongressabgeordneten Betty McCollum, die das Vorhaben im Kongress unterstütze. Im Gegensatz dazu stand das Kollektiv vornehmlich jüngerer und liberal orientierter Hmong, die die Wiederaufnahme von Handelsbeziehungen als einen ersten Schritt einer Demokratisierung Laos’ verstand. Zukunftsorientiert erhofften sie eine weitere Liberalisierung des Landes und vor allem die Einhaltung von Menschenrechten, in deren Folge bestehende Repressalien der Regierung gegenüber den sich noch im Dschungel versteckt haltenden Hmong Familien aufgehoben werden könnten.�� Auch wenn dieses Ereignis zunächst erst einmal entgegengesetzte Reaktionen innerhalb des Hmong Kollektives erzeugte, erfolgte dennoch eine grundsätzliche Bestärkung der diasporischen Identität. Die einzelnen Mitglieder, unabhängig des Alters, zeigten nicht nur Interesse, sondern ebenso eine emotionale Beteiligung. Das Bewusstsein der sozialen Zugehörigkeit zu einem diasporischen Kollektiv wurde gestärkt und ließ eine Identifikation zu, die das weitere Denken und Handeln motivierte. Gleichermaßen wurde – wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise – versucht, Einfluss auf weltpolitische Entwicklungen zu nehmen. Schlussbetrachtungen Wie in den vorangehenden Absätzen deutlich wurde, ist das Kollektiv der Hmong bemüht, seine Identität auch in der Diaspora aufrechtzuerhalten. Mittels langjährig erprobter Mechanismen der Vernetzung ist trotz einer globalen Zerstreuung ein enger sozialer und spiritueller Zusammenhalt zwischen einzelnen Gemeinschaften zu verzeichnen. Das Bewusstsein um und das Bemühen nach einer einheitlichen Hmong Identität vereint die Mitglieder zusätzlich. Diese Identität zeichnet sich dabei durch einen Rückzug auf vertraute, aus der Heimat bekannte, traditionelle Symbole aus. Mittels der Bewahrung dieser Standardisierungen und �� Im Jahre 2002 veröffentlichte die Hmong Aktivistengruppe Fact Finding Commission eine Dokumentation („The U.S. Secret War Veterans and their Families“), die erstmalig über die Überlebenden und die Nachkommen der sich seit Kriegsende �975 in der Saisomboun Special Zone im Dschungel versteckt haltenden Hmong berichtete. Seitdem haben auch zahlreiche westliche Journalisten („Welcome to the Jungle“ in: Time Magazine, 28. April 200�; „Report on the Situation in the Saisomboun Special Zone, Mai 2006) versucht, die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf die geschätzten 800-2.000 vermeintlichen Rebellen zu lenken, die beständigen Angriffen des laotischen und vietnamesischen Militärs ausgesetzt sind. Die laotische Regierung weist jedoch bis dato jegliche Vorwürfe eines erneuten Genozides an den Hmong vehement zurück (siehe auch Lee, Tapp 2005). 75 ASEAS 1 (1) den Loyalitätsbekundungen zum konstruierten Heimatland ist es möglich ein Leben in der Fremde zu führen, sich aber dennoch dem Großkollektiv Hmong zugehörig zu fühlen. Die dabei oft stattfindende Überbetonung als Rückzugsstrategie führt häufig zu einer Re-Ethnisierung der Gemeinschaft (vgl. Beck-Gernsheim 2004). Gleichzeitig – und das scheint auf den ersten Blick ein Paradox zu sein – zeichnet sich das Konstrukt der homogenen Identität durch ein hohes Maß an Flexibilität und Adaptionsfähigkeit aus. Wie das mediale Netzwerk der Hmong deutlich zeigt, werden besonders technologische Innovationen bereitwillig aufgenommen (vgl. Leeprecha 2004), wenn diese zu einer Stärkung der eigenen Identität beitragen. Die Strategie der bewusst eingesetzten selektiven Adaption ermöglicht es dem Großkollektiv Hmong, eine homogene Identität auch in der Fremde zu konstruieren. Den Diskurs dominierend ist dabei die US-amerikanische Gemeinschaft (vgl. Julian 2004- 05). Hier bleibt vor allem abzuwarten, inwieweit es diesem Kollektiv gelingt, die internen Einflüsse, wie beispielsweise der Putschversuch von Vang Pao, als auch externe Faktoren wie der NTR zwischen den USA und Laos, miteinander zu vereinen. Eine besondere Herausforderung dürfte zusätzlich in der Einbeziehung der jüngeren Generationen bestehen. Der vereitelte Putschversuch Vang Paos scheint seit langer Zeit erstmalig wieder die Generationen in einem Dialog miteinander zu vereinen. In welche Richtung aber wird sich die Identitätskonstruktion entwickeln, wenn es einmal keine Führungspersönlichkeit wie Vang Pao oder die gemeinsame Feindvorstellung einer kommunistischen Regierung in Vientiane mehr geben wird? Wofür wird sich die junge Generation entscheiden und wer wird dann die Führungsrolle übernehmen? Welche verschiedenen Ausprägungen werden die Heimatkonstruktion dann aufweisen? Diese aus dem empirischen Kontext der Hmong entstandenen Fragen erfordern nicht nur weitere Untersuchungen, sondern verlangen zugleich nach einer differenzierteren Konzeptionalisierung von Diaspora-Gemeinschaften, da diese keine statischen Gruppen bilden, sondern wie alle Kollektive beständigen Einflüssen unterliegen. Bibliografie Anderson, B. (�99�). Imagined Communities. Reflections on the Origin and Spread of Nationalism. London: Verso. 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