ASEAS 1-2 final (außerGottowik).indd ASEAS 1 (2) Agents of Change - Frauenaktivistinnen in Aceh Agents of Change - Women Activists in Aceh Kristina Grossmann1 Goethe-Universität Frankfurt/Main, Deutschland / Goethe-University Frankfurt/Main, Germany ASEAS - Österreichische Zeitschrift für Südostasienwissenschaften / Austrian Journal of South-East Asian Studies, 1 (2), 2008 SEAS - Gesellschaft für Südostasienwissenschaften - www.SEAS.at Aceh befi ndet sich seit der Dezentralisierungspolitik Indonesiens Ende der 1990er Jahre, der Tsunamikatastrophe 2004 und der Unterzeichnung des Memorandum of Understanding (MoU)2 2005 in einer politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Transformation. Die Situation der Frauen in Aceh ist geprägt durch Repressionen aufgrund der Einführung der Scharia, durch Einfl ussnahme von internationalen Hilfsorganisationen nach dem Tsunami und durch die Neuordnung der Region Acehsseit den Autonomieverhandlungen. Der Transformationsprozess bringt große Herausforderungen für die Frauen in Aceh mit sich und beinhaltet zugleich die Chance zur Mitgestaltung. So entwerfen Frauenaktivistinnen innerhalb des Spannungsfeldes islamische Religiosität, traditionell-kulturelle Strukturen und westliche Wertevorstellungen, Positionen und Strategien, um ihren Wunsch nach Geschlechtergerechtigkeit durchzusetzen. Mein Artikel beleuchtet die Frage, welche Rolle Frauenaktivistinnen innerhalb des Transformationsprozesses einnehmen und welche Chancen, Möglichkeiten und Hindernisse es gibt, um Einfl uss auf politische und gesellschaftliche Prozesse zu nehmen. Schlagworte: Indonesien, Aceh, Gender, Partizipation, Islam Aceh, Indonesia’s westernmost province is in a process of political, social and cultural transformation, which is caused by three main factors. First, the process of decentralisation, launched by the government of Indonesia starting from the end of the 1990s and as a consequence of the implementation of sharia bylaws since 2001, second, the tsunami calamity 2004 and third, the peace process starting with the signing of the Memorandum of Understanding (MoU) 2005 between representatives of the Government of Indonesia and the Acehnese freedom movement GAM (Gerakan Aceh Merdeka). Today’s situation of women in Aceh is infl uenced by repressions due to a conservative interpretation of Islam, by the impact of international aid organisations, which entered Aceh after the tsunami and by the political, social and cultural reconstruction of Aceh since the beginning of the peace process. The transformation process causes huge challenges for women and at the same time provides a 1 Die Autorin ist Doktorandin am Institut für Ethnologie und im Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ an der Goethe-Universität Frankfurt/Main. 2 Am 15. August 2005 wurde das MoU in Helsinki zwischen Vertretern der Regierung Indonesiens und der acehnesischen Befreiungsbewegung GAM (Gerakan Aceh Merdeka) unterzeichnet und ein Friedensschluss besiegelt. 105 wide range of opportunities for participation and modelling the new province Aceh. In this vibrant atmosphere, where tensions between Islamic religiosity, traditional-cultural structures and Western values are immense, women activists design positions and strategies to aim their desire of gender justice, equity and women’s rights. The present impact of the multiple efforts of women activists to take infl uence in the political and socio-cultural area can be described as opening a window of opportunities. They could benefi t from emancipative objectives of international organisations and from the national and international monetary funds. Women activists could develop capacity and raise their bargaining power through the networks with international organisations. Hurdles in the long-term success of implementing the aims of woman activists are the short time-frames of the aid-programmes and the top-down approach of most programmes. The power of the political elite in Aceh and of religious leaders is strong and the agendas of woman activists are constrained by socio-political and religious acceptance. Keywords: Indonesia, Aceh, Gender, Participation, Islam Einleitung Acehnesischen Frauenaktivistinnen, die sich, züchtig mit Kopftuch bedeckt, für Geschlechtergerechtigkeit und Frauenrechte einsetzen sind für westliche Beobachter befremdliche Bilder. Obwohl Indonesien das bevölkerungsreichste muslimische Land ist, steht der moderate Islam im multikulturellen Indonesien für Toleranz und Synkretismus mit lokalen und westlichen Werten. So gab Indonesien stets ein Bild von vielfältigen Kleidungs- und Lebensstilen ab, unter denen orthodox islamische Lebensentwürfe nur einer von vielen war.3 Das hat sich in einigen Gebieten stark verändert. In den letzten Jahren sind in über 60 Städten und Distrikten Rechtsprechungen gemäß der Scharia eingeführt worden. Aceh4 ist die erste Provinz, in der seit 2001 eine Rechtsprechung gemäß der Scharia angewendet wird. Die Pflicht zu züchtiger Kleidung entsprechend orthodox islamischen Vorbildern ist seitdem unter Androhung von Strafe auferlegt und wird von ortsansässigen Moralhütern überwacht. Zu ihrem eigenen Schutz, so argumentieren Befürworter der Scharia, dürfen Frauen nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr auf der Straße unterwegs sein.5 Die Einführung der Scharia ist aber nur eine Herausforderung, mit der sich acehnesische 3 Das Kopftuch im arabischen Stil, d. h. unter den Kinn geschlossen, ist erst seit den 1990er-Jahren in Schulen offiziell erlaubt. 4 Aceh ist die nördlichste Provinz der Insel Sumatra. 98 Prozent der Bevölkerung gehören formal dem Islam an. Die konservative islamische Identität der Bevölkerung in Aceh nährt die Unabhängigkeitsbestrebungen gegenüber der Nationalregierung in Jakarta. 5 Diese Einschränkung ist vor allem für den großen Teil an berufstätigen und weniger gut verdienenden Frauen prekär und verdrängt sie zunehmend aus der Öffentlichkeit. Der Weg von oder zu der Arbeitsstätte, sei es das Reisfeld, der Markt oder die Fabrik, wird oft zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln in der Dunkelheit zurückgelegt. 106 Kristina Großmann - Agents of Change ASEAS 1 (2) Frauen konfrontiert sehen. Der 30-jährige Unabhängigkeitskampf und die Folgen des Tsunami 2004 zerstörten die Lebensgrundlage vieler Acehnesen und Acehnesinnen. Die anschließende Befriedung des sezessionistischen Kampfes brachte Erleichterung und Hoffnung. Frauenaktivistinnen sehen Chancen und Möglichkeiten, bei der politischen, sozialen und kulturellen Neuordnung Acehs mitzubestimmen und setzen sich in vielfältiger Weise für mehr Gerechtigkeit und Gleichheit ein. Dabei bewegen sie sich zum einen im Rahmen des orthodox islamischen Moralkodex und argumentieren gemäß dem islamischen Katechismus, um ihre Glaubwürdigkeit und ihre Einflussmöglichkeit nicht durch den Vorwurf von Apostasie und „Verwestlichung“ zu verspielen. Andererseits orientieren sich Frauenaktivistinnen an internationalen Normen, wie den allgemeinen Menschenrechten und die Konvention gegen Diskriminierung von Frauen, welche 1984 von Indonesien ratifiziert wurde. (Un-)Gleichheit der Geschlechter Die Gesellschaft der Acehnesen hat traditionell eine matrizentrische Sozialstruktur, in die der Islam integriert ist. Das Machtzentrum von Frauen liegt demnach im informellen Sektor, d.h. im Familienklan und in der Dorfgemeinschaft. Acehnesische Frauen sind Eigentümerinnen von Haus, Grund und bewirtschaftbaren Feldern und leben in Subsistenz, Männer verdienen traditionell hauptsächlich Geld durch Handel in Städten oder im Ausland (meurantau). Die Familie wird durch eine männliche Person, meistens den Bruder der Frau (mamak), rechtlich nach außen vertreten. Traditionell ist das Geschlechterverhältnis in Aceh symmetrisch (Siapno 2002), da die besetzten Machtfelder und der Zugang zu zentralen dörflichen Institutionen, zum Beispiel zu streitschlichtenden Instanzen (tuah empat) in der Balance sind. Seit der niederländischen Kolonialisationszeit ist das traditionell symmetrische Geschlechterverhältnis in Aceh im Wandel begriffen. Die bürokratische Organisation der Kolonialherren verlangte eine Umwandlung der matrizentrischen und somit auf Klanbesitz basierenden Sozialstruktur in kleine Einheiten einer Kernfamilienstruktur mit männlichem Haushaltsvorstand. Das System von Privatbesitz entsprach der niederländischen Besteuerungspolitik und war leichter zu kontrollieren (Siapno 2002). Während der autokratischen Regierung Suhartos von 1966 bis 1998 wurden Frauen systematisch entpolitisiert und in den häuslichen Bereich zurückgedrängt. Mit dem Konzept kodrat wanita wurde Frauen, gemäß ihrer „natürlichen Bestimmung“, die Rolle der sorgenden Hausfrau und unterstützenden Ehefrau zugeteilt. Frauenorganisationen wurden kooptiert und konnten nur als verlängerter Arm der Staatspartei Golkar agieren (Blackburn 2004). Die Staatspropaganda und die autokratische Regierung Suhartos untergruben den Einfluss 107 von lokalen, traditionellen Sozialstrukturen, indem zum Beispiel Entscheidungen und Beschlüsse gemäß der ortsüblichen Rechtsprechung adat limbago nicht anerkannt wurden. 1976 gründete Hasan di Tiro die „Bewegung freies Aceh“ (Gerakan Aceh Merdeka/GAM. Die anfänglichen Ziele waren eine größere kulturelle, politische und ökonomische Autonomie Acehs gegenüber der Nationalregierung, später forderte GAM die Unabhängigkeit Acehs von Indonesien; ab den 1990er Jahren wurde der Konflikt massiv militarisiert. Neben der Enttäuschung einer zentralistischen Politik der Nationalregierungen Indonesiens zuungunsten der Idee eines föderalen Staates war der Ausschluss di Tiros bei der Vergabe von Förderlizenzen großer Gasfunde in Aceh der Initialfunke für den bewaffneten Untergrundkampf (Sulaiman 2006). Innerhalb des Unabhängigkeitskampfes gegen den indonesischen Nationalstaat waren nur wenige Frauen am aktiven Kampf beteiligt oder Mitglied der politischen und militärischen Elite. Acehnesische Frauen hatten jedoch im informellen Bereich machtvolle Positionen als Versorgerinnen, Reproduzentinnen, Informantinnen, Unterstützerinnen des passiven Widerstandes und in informellen Verhandlungen mit dem Militär. Die Rolle von acehnesischen Frauen während des Bürgerkrieges als Versorgerinnen und Reproduzentinnen ist nicht nur im materiellen und biologischen Sinne zu verstehen, sondern fand auch auf der symbolischen Ebene Anwendung. So wurden Frauen als physische und kulturelle Reproduktionskraft und als Protektorinnen der nationalen und ethnischen Identität dargestellt. Die Strategie der GAM-Kader, acehnesische Kultur und Ethnizität zu betonen und Symbole einer glorreichen acehnesischen Geschichte wiederaufleben zu lassen oder zu erfinden, fand auch Eingang in das Geschlechterverhältnis. Männer als tapfere Kämpfer für die Unabhängigkeit und Frauen als reproduktive Unterstützerinnen – das waren die von der GAM propagierten dichotomen Stereotype. So wurde erst 1998 ein Frauen-Bataillon ins Leben gerufen. Nach Aussagen von Frauenaktivistinnen verschiedener Organisationen lebten, während des Unabhängigkeitskamp- fes, mehr als 50 Prozent des GAM-Kaders in polygynen Ehen.6 Acehnesische Frauen trugen maßgeblich zur Bildung einer kollektiven acehnesischen Identität gegenüber der Regierung in Jakarta bei und fungierten als Metapher für kulturelle Authentizität und Integrität. Der seit den 1990er Jahren zu beobachtende Druck auf Frauen, eine züchtige Kleiderordnung einzuhalten, ist im Zusammenhang mit dem Erstarken einer acehnesischen islamischen Identität in Abgrenzung zu einem moderaten Islam des Nationalstaat Indonesiens zu sehen. Die Schaffung einer ikonisierten, guten Muslima, die sich für die Unabhängigkeit Acehs einsetzt, drängt Frauen in die Passivität und politisiert Geschlechterverhältnisse. 6 Manche Aktivistinnen sprechen sogar von über 70 Prozent polygynen Ehen währende des Unabhängigkeits- kampfes. Vor dem Friedensschluss 2005 lag die Zahl von polygynen Ehen in der Provinz Aceh bei etwa 12 Prozent. Heute liegt die Zahl bei etwa 25 Prozent. 108 Kristina Großmann - Agents of Change ASEAS 1 (2) Scharia als fehlgeschlagene Konfliktlösungsstrategie Mit dem Dezentralisierungsgesetz 1999 sind in einigen Distrikten und Provinzen lokale Bestimmungen bezüglich religiösen und kulturellen Angelegenheiten erlassen worden, die islamischem Recht größere Geltung verschafft. Die Einführung einer lokalen Rechtsprechung, die sich an der Scharia orientiert (qanun), ist ein Ausdruck des staatsimmanenten Konfliktes zwischen islamistischen und laizistischen Kräften in Indonesien. Aufgrund eines Erlasses zur Sonderautonomie für Aceh 2001 wurde dort eine regionale Rechtsprechung gemäß der Scharia eingeführt.7 Die indonesische Regierung versuchte auf diese Weise erfolglos, den sezessionistischen Konflikt im mehrheitlich muslimischen Aceh beizulegen. Vertreter der GAM wiesen die Formalisierung der Scharia als ungewolltes Geschenk der Zentralregierung zurück, unternahmen aber, trotz ihrer Beteiligung an der Provinzregierung, keine fruchtbaren Schritte, um die lokalen Gesetze zu entschärfen.8 Obwohl Entscheidungen über Religionsangelegenheiten der Zentralregierung zugewiesen sind, ist in Aceh eine lokale Rechtsprechung entstanden, die oft im Gegensatz zur nationalen Gesetzgebung steht. Gegenüber diesem Rechtspluralismus stellt sich die Nationalregierung jedoch blind. So konstatiert Khairani Arifin von der Frauenorganisation „Freiwillige Frauen für Humanitäre Aktionen“ (Relawan Perempuan untuk Kemanusiaan/RPuK) in Aceh, dass eine Klage an das Oberste Verfassungsgericht in Jakarta bezüglich des Urteils eines Scharia Gerichts in Aceh zurückgewiesen wurde. Als Begründung wurde angeführt, dass die zeitliche Frist zur Einreichung von Verfassungsklagen nicht eingehalten wurde. Die Inhalte der Scharia Gesetze orientieren sich an konservativen islamischen Werten und Normen und betreffen die Bereiche Verhaltens- und Kleidervorschriften und Bekämpfung der Kriminalität. Die Hoffnung, dass die Implementierung der Scharia zur Lösung der multidimensionalen ökonomischen und sozialen Probleme in Aceh beitragen kann, wurde aufgrund der konservativen und symbolträchtigen Umsetzung durch islamische Autoritäten enttäuscht. So sind bei Verstößen gegen die Scharia-Gesetze Demütigung, gewalttätige Übergriffe und Benachteiligungen vor allem gegenüber Frauen im öffentlichen und privaten Bereich zu beobachten. Die rigorose Durchsetzung islamischer Verhaltens- und Kleidervorschriften betrifft Frauen unverhältnismäßig stark. Vor allem im urbanen Raum ist zu beobachten, dass, bezugnehmend auf den Koran, die Autorität von Männern im Haus in den Vordergrund rückt, Frauen aber keinen Machtzuwachs in anderen Bereichen haben. 7 Neue Institutionen, die die neuen Regelungen formulieren und für deren Umsetzung sorgen, sind Scharia- Ämter (Dinas Scharia), ein beratender Ulama-Rat (Majelis Permusyawaratan Ulama) und Scharia Gerichte. 8 Irwandi Yusuf, seit 2006 Gouverneur von Aceh und der ehemaligen GAM nahestehend, versprach bei seinem Amtsantritt, bestimmte diskriminierende Passagen innerhalb der qanun zu überarbeiten und zu revidieren. 109 Frauenorganisationen, die durch die Umsetzung der Scharia-Gesetze die Menschenrechte verletzt sehen, antworten mit dem Angebot von Rechtsbeistand und dem schwer umsetzbaren Versuch, bei den Formulierungen der lokalen Gesetzgebung mitzubestimmen. Offene Kritik an der Umsetzung der regionalen Scharia-Gesetze ist für Frauenaktivistinnen in Aceh jedoch selten möglich, weil die Angst vor dem Vorwurf von Blasphemie und unrespektvollem Verhalten gegenüber dem Islam groß ist. Tsunami als Katalysator In Folge der Tsunamikatastrophe 2004 kamen viele internationale Organisationen nach Aceh. Die Wiederaufbau- und Förderprogramme infolge des Tsunami waren mit großen finanziellen Budgets ausgestattet9 und hatten zeitlich eng gestrickte Zielvorgaben. In kurzer Zeit entstanden zahlreiche Kooperationen mit lokalen Organisationen, um die Hilfsprogramme zu implementieren. Lokale NGOs, die sich für Frauenrechte einsetzten, wurden finanziell unterstützt und etablierten sich strukturell und personell. Genderspezifische Forderungen konnten somit auf die internationale Bühne gehoben und erfolgreicher durchgesetzt werden. Der genderspezifische Aspekt innerhalb der Soforthilfemaßnahmen nach der Tsunamikatastrophe wurde von westlichen und lokalen Organisationen als wichtig erachtet, anfänglich aber stark vernachlässigt. So wurden die Waschräume in den Behelfsunterkünften erst nach den Forderungen lokaler Frauenorganisationen nach Geschlechtern getrennt und Frauen verstärkt in die Planung von neuen Wohnräumen einbezogen. Nach der Zerstörung durch den Tsunami wurde in vielen Fällen das Eigentum von Haus, Grund und Feldern auf Männer übertragen und Hilfsgelder an das offizielle, also männliche Familienoberhaupt vergeben. Dies lässt sich durch die schwache rechtliche Position von Frauen und der traditionell festegelegten Vertretung in der Öffentlichkeit durch männliche Familienangehörige begründen. Der Enteignung von Frauen wurde mit Programmen zur Einbeziehung von Frauen in Entscheidungsgremien, die bei der Neuordnung von Grundeigentum in zerstörten Gebieten mitbestimmen, entgegen gesteuert. Durch die Hilfsprogramme der internationalen Organisationen wurden Ziele der Entwicklungszusammenarbeit transportiert, die im Westen entwickelt wurden und sich an den Vorstellungen der Vereinten Nationen von Geschlechtergleichheit orientieren. Gender Equity, Gender Mainstreaming und Woman’s Empowerment tauchten in den Programmen der acehnesischen Frauenorganisationen auf, die Wege suchten, diese Begriffe im acehnesischen Kontext umzusetzen. Durch die systematische Entpolitisierung von Frauen während der Ära 9 Insgesamt wurde 4.9 Milliarden Euro an Hilfsgelder bereitgestellt. Ungefähr ein Drittel von der indonesischen Regierung, ein Drittel von internationalen Geldgebern und ein Drittel von Nichtregierungsorganisationen. Ende 2007 waren bereits 90 Prozent der Hilfsmittel vergeben (Kleine-Brockhoff 2007). 110 Kristina Großmann - Agents of Change ASEAS 1 (2) Suhartos und der stärkeren Einflussnahme eines patriarchal ausgelegten Islam wurden die Machtfelder von Frauen und ihr Zugang zu Institutionen reduziert. Vor diesem Hintergrund sind Frauenaktivistinnen vor die Herausforderung gestellt, Programme zu entwickeln, die Frauen unterstützen, ihren Machtbereich auf informeller Ebene wieder zu erweitern und sich Zugang zu formellen Einflussebenen zu erschließen. Die Internationalisierung und finanzielle Förderung von genderspezifischer Arbeit in Aceh hat die Auseinandersetzung über Geschlechterbeziehungen auf eine breite öffentliche Bühne gehoben. Diskussionen über Gender und die Rolle von Frauen finden nicht nur in den Büros der Organisationen statt, sondern haben auch vor allem unter der jungen Bevölkerungsschicht einen großen Stellenwert bekommen. So gibt es z.B. lebhafte Diskussionen, welchen Vorbildern acehnesische Frauen folgen sollen, den Heroinnen aus einer glorreichen acehnesischen Vergangenheit, wie Cut Njak Dhien oder den als emanzipiert und fortschrittlich geltenden Frauen aus westlichen Kulturkreisen. Innerhalb der kurzen Zeit nach 2004 ist es lokalen Frauenorganisationen zwar nur ansatzweise gelungen die Bedürfnisse von Frauen an der Basis zu eruieren und spezifische Strategien zu ihrer Durchsetzung zu entwickeln, jedoch sind erste Schritte hinsichtlich der Verschiebung der Frauenrolle von passiven Bürgerkriegsopfern zu aktiven Mitgliedern der Zivilgesellschaft getan. So entwerfen Frauenaktivistinnen innerhalb des Spannungsfeldes islamische Religiosität, traditionell-kulturelle Strukturen und westliche Wertevorstellungen, Positionen und Strategien, um den Wunsch nach Geschlechtergerechtig- keit durchzusetzen. Die Forderungen und Ziele von Netzwerken, Kongressen und Workshops zeigen emanzipative Positionen, die sich an westlichen Vorstellungen von Geschlechtergerechtigkeit orientieren (Crisis Management Initiative 2006: 18; Kamaruzzaman 2004) aber auch den besonderen acehnesischen traditionell-kulturellen Werten und Normen und der islamischen Religiosität Rechnung tragen (Blackburn 2004: 108; Parawansa 2002: 72). Zum Beispiel ist öffentliche Kritik an der Umsetzung der regionalen Scharia Gesetze für Frauenaktivistinnen in Aceh nicht möglich, da die Aktivistinnen diffamiert und als unglaubwürdig abgestempelt werden (Crisis Management Initiative 2006). „Agents of Change“ im Transformationsprozess Die genderspezifische Betrachtung von Transformationsprozessen ist in der wissenschaftlichen Betrachtung lange vernachlässigt worden, gewinnt jedoch zunehmend an Bedeutung (Derichs 2005; Waylen 2007). Frauenaktivistinnen als zivilgesellschaftliche Akteure werden als wichtige change agents innerhalb von Transformationsprozessen angesehen und haben aufgrund ihrer Perspektive, ihrer Handlungsmöglichkeiten und ihrer Erfahrungen eine wichtige Rolle in 111 Systemveränderungen (Derichs 2005: 1; Mulligan 2005; Ng, Mohamad, & Tan 2006; Waylen 2003, 2007). Ihre Rolle besteht darin, Ideen zu entwickeln und zu verbreiten und als Kritikerin, Vorbild und gesellschaftliche Anwältin Einfluss auf staatliche Handlungen und den politischen und gesellschaftlichen Diskurs zu nehmen (Derichs & Heberer 2006). Die Einbeziehung von Frauen in den Friedensprozess in Aceh wird als wichtig erachtet und vielfach eingefordert (Gender Working Group 2007; Kamaruzzaman 2000; UNIFEM 2005). So können sie als Multiplikatorinnen im Topdown-Prozess, als wichtige Verbündete im Monitoring des Friedensprozesses, als Hoffnungsträgerinnen und als Vermittlerinnen zwischen Identitätsgrenzen fungieren (Crisis Management Initiative 2006). Während des Unabhängigkeitskampfes Während des Unabhängigkeitskampfes von 1976 bis 2005 war die Arbeit von Frauenaktivistinnen schwer durchführbar. Das Hauptziel des Engagements war der Kampf für Frauenrechte als Menschenrechte und die Hilfe für Kriegsopfer. Die Versorgung von Kriegsvertriebenen und die Unterstützung und rechtliche Beratung von Betroffenen sexueller Übergriffe waren die hauptsächlichen Betätigungsfelder. Ein großes Problem der Frauenrechtsarbeit war, von den Kriegsparteien anerkannt zu werden. Das indonesische Militär und die GAM betrachteten die Aktivistinnen als Spione der jeweils anderen Seite und gewährten oft keinen Zugang zu Betroffenen. Khairani Arifin erzählt, dass sie sich oft vorkam, wie zwischen den Stühlen zu sitzen und dass wertvolle Zeit und Energie durch die Verhandlungen mit dem Militär und der GAM verloren gingen. 1990 bis 1998 wurde Aceh zum „Speziellen Militärischen Gebiet“ (Daerah Operasi Militer/DOM) erklärt. Innerhalb der Militäraktion „rotes Netz“ (Jaring Merah) wurde der Konflikt stark militarisiert und Menschenrechtsverletzungen von beiden Seiten verübt. In dieser Zeit entstanden viele Frauenorganisationen, die vor allem Kriegsflüchtlingen halfen. Nach dem Sturz Suhartos 1998 verschärfte sich die Situation weiter. Die Reformasi 1999 und die Abspaltung Ost-Timors von Indonesien gaben den Bestrebungen nach Unabhängigkeit in Aceh neue Nahrung. Die Erwartung gegenüber Frauen, sich als gute Muslima für die Unabhängigkeit einzusetzen, stieg und erhöhte den Druck, sich einer züchtigen Kleiderordnung zu unterwerfen. Zwischen 1999 und 2004 fanden Razzien statt, im Rahmen derer die orthodox islamische Kleiderordnung kontrolliert wurde, sogenannte razia jilbab. Die Agenda der Frauenaktivistinnen konzentrierte sich auf die Durchsetzung von Frauenrechten als Menschenrechte. Suraya Kamaruzzaman, die Leiterin der international bekannten Frauenorganisation „Flower Aceh“ nahm ihr Kopftuch als Protest gegen die verstärkte Diskriminierung von Frauen auf der Basis des Islams ab und verurteilte die Politisierung von Religion. Aktionen von zivilem Ungehorsam 112 Kristina Großmann - Agents of Change ASEAS 1 (2) sind in Aceh jedoch schwer umzusetzen und haben Ausgrenzung aus familiären und sozialen Zusammenhängen, Bestrafung von Seiten der Scharia-Polizei (Wilayatul Hisbah), öffentliche Diffamierungen und einen Verlust der Glaubwürdigkeit zur Folge. Meistens wird von Frauen, die keinen Jilbab tragen möchten, ein Kompromiss bevorzugt, zum Beispiel ein Tuch, das locker um Kopf und Schultern geworfen wird (Slendang), um keine Angriffsfläche zu bieten. Nach dem Tsunami und dem Friedensschluss Infolge des Tsunamis 2004 und nach Beendigung des Unabhängigkeitskampfes 2005 stieg die Anzahl von Nichtregierungsorganisationen und die Tätigkeitsbereiche von Frauenaktivistinnen erweiterten sich. Durch die Internationalisierung der Konfliktregion Aceh wurde eine finanzielle und ideologische Basis geschaffen, auf der es Frauen vermehrt möglich war, sich für Frauenrechte einzusetzen. Die Einbeziehung von Frauen in den Friedensprozess in Aceh wird international als wichtig erachtet und von Regierungen und Nichtregierungsorganisationen vielfach eingefordert (Gender Working Group 2007; Kamaruzzaman 2000). Die Unterzeichnung des Memorandum of Understanding zwischen der acehnesischen Unabhängigkeitsbewegung GAM und der indonesischen Zentralregierung 2005 beendete den 30-jährigen Bürgerkrieg in Aceh und öffnete die Tür zu einem Friedensprozess mit offenem Ausgang. Die jüngsten Attentate auf Ramos-Horta, den Präsidenten des seit 2002 von Indonesien unabhängigen Ost-Timors, sind Ausdruck der instabilen politischen und gesellschaftlichen Lage von Post-Konflikt-Gesellschaften. Die Frage nach der politischen und ethnoreligiösen Positionierung Acehs vor dem Hintergrund des Nation-Building-Prozesses Indonesiens, welches das Konzept der „Einheit durch Vielfalt“ propagiert, gewinnt erneut an Bedeutung (Schröter 2007). Im Zuge der aktuellen politischen und ethnoreligiösen Neuordnung Acehs haben Frauen, die aus dem Kontext der Unabhängigkeitsbewegung GAM kommen, 2006 die Frauenorganisation Liga Inong Aceh (Lina), die Frauenliga Aceh gegründet. Sie fordern aktive Mitbestimmung beim Wiederaufbau, bei der Rehabilitation und bei der Ausrichtung der ethnoreligiösen Positionierung Acehs und suchen Wege aus ihrer passiven Rolle. Die Nähe zur derzeitigen politischen Elite Acehs, die sich aus GAM-nahen Funktionären bildet, vergrößert zum einen die Einflussmöglichkeiten dieser Frauenaktivistinnen, begrenzt zum anderen ihre Ziele im Sinne der Konformität zur politischen Patronage. Mit der Ausfertigung des Autonomiegesetzes „Law on the Governing of Aceh“ (LoGA) im August 2006 wurden die Grundlagen für eine Selbstregierung Acehs geschaffen. Die politische und gesellschaftliche Neuordnung eröffnet Frauen die Möglichkeit, aktiv bei der Neugestaltung 113 Acehs mitzubestimmen und die passive Rolle abzugeben. Die Netzwerke „Woman‘s Policy Network“ (JPuK) und „Woman‘s Peace Network“ (JPuD) beteiligten sich an der Erstellung einer Liste mit 15 Forderungen zur Geschlechtergerechtigkeit, die bei der Erstellung des LoGA Berücksichtigung finden sollten. Sechs dieser Punkte wurden miteinbezogen (Crisis Management Initiative: 2006). Im Juni 2005 fand, mit internationaler Unterstützung, der „All Acehnese Woman’s Congress“ statt. 400 Frauen aus repräsentativen Positionen versammelten sich und gründeten den „Aceh Woman’s Council“. Dieser Beirat reichte Forderungen bezüglich der Förderung und des Schutzes von Frauen bei der acehnesischen „Behörde für Wiederaufbau“ (Badan Rekonstruksi dan Rekreasi/BRR) ein. Eine Forderung liegt im Bereich capacity building und betrifft den Wiederaufbau und die Pflege von „Häusern für Frauen“ (Balai Inong) in denen Frauen sich versammeln, zusammen arbeiten und sich informieren können. Eine weitere Forderung ist der Aufbau eines Rechtshilfesystems bezüglich Besitz- und Landrechten und bei unrechtmäßigen Verurteilungen gemäß den Scharia Gesetze. Die Bildung von zivilgesellschaftlichen Institutionen ist wichtig, da Frauen in politischen Strukturen stark unterrepräsentiert sind. Im aktiven Wahlkampf der Direktwahlen des Gouverneurs im Dezember 2006 spielten Frauen eine untergeordnete Rolle. Nur zwei von 22 Kandidaten für das Gouverneursamt waren Frauen, sie wurden im Vorfeld der Wahl disqualifiziert, weil sie einen für die Registrierung benötigten Test, den Koran richtig zu zitieren, nicht bestanden (Holthouse 2007). In dem 69 Abgeordnete zählenden Provinzparlament sind lediglich zwei Frauen vertreten (Dinkelaker 2008). Bei der Besetzung der Distriktvorsteher und Bürgermeisterposten war nur eine Frau erfolgreich, 37 weitere Posten nahmen Männer ein. Die stellvertretende Bürgermeisterin der Stadt Banda Aceh, Illiza Sa’aduddin Djamal, genießt die tatkräftige Unterstützung ihres männlichen Mitkandidaten Mawardy Nurdin und musste sich nach eigener Aussage gegenüber Kritik von Frauengruppen verteidigen, die Bedenken anmeldeten, ob eine Frau in der Lage sei, eine Stadt zu führen (DED 2007). Illiza Sa’aduddin Djamal wird unter anderem von dem Deutschen Entwicklungsdienst (DED) beraten und unterstützt. Sie steht für eine gemäßigte Gender-Mainstreaming-Politik und möchte die Rechte von Frauen durch Gesetze und capacity building stärken. Ihr persönliches Ziel ist der Aufbau eines Informationszentrums für Frauen, in dem sich Frauen über Themen wie Familie und Haushalt, Aufbau von Kleinunternehmen oder politische Betätigungen informieren können. Acehs Bürgermeisterin setzt die Befolgung von religiösen Grundsätzen und der Gesetzgebungen gemäß der Scharia als Grundlage für den Aufbau einer neuen Gesellschaft in Aceh voraus, betont jedoch die Befolgung eines „reinen Islams“ (Islam murni), zu dem sie z.B. auch die Pflicht zählt, gegen Korruption vorzugehen (DED 2007). 114 Kristina Großmann - Agents of Change ASEAS 1 (2) Hürden im Friedensprozess Ein wichtiger Aspekt eines nachhaltigen Friedensprozesses beinhaltet die Aufarbeitung von Kriegsverbrechen. Systematische Vergewaltigung als strategische Mittel zur Demoralisierung und die Umsiedelungspolitik in den 1990er Jahren führten zu massiven Frauenrechtsverletzungen. Frauenaktivistinnen, Menschenrechtsorganisationen und Opferverbände klagen an, dass noch keine wesentlichen Schritte unternommen wurden, um die Menschenrechtsverletzungen in Aceh systematisch aufzuarbeiten. Sie fordern die staatliche Menschenrechtskommission KOMNAS HAM auf, sich engagierter für eine regionale Wahrheitskommission einzusetzen, doch die indonesische Nationalregierung kommt ihrer politischen und ethischen Verantwortung nicht nach. Zivilgesellschaftliche Organisationen und Rechtsexperten appellieren an die Provinzregierung in Aceh, ein regionales Gesetz für eine regionale Wahrheitskommission zu erlassen. Auch die Reintegration von ehemaligen GAM-Kombattanten und die materielle Entschädigung der Konfliktopfer laufen schleppend und intransparent. Mangelnde alternative Erwerbsmöglichkeiten für ehemalige Guerillakämpfer und die Schwierigkeit, sie in gesellschaftliche Strukturen zu integrieren, führen zu einem Anstieg von Raubüberfällen ehemaliger GAM-Kämpfer. Zur Entschädigung der Familienangehörigen verstorbener Opfer wurde durch die Nationalregierung Indonesiens ein Programm zur Wiedergutmachung einge- führt. Die Angehörigen der Opfer bekommen von der Regierung ein Blutgeld von 350.000 Rupiah, was etwa 30 Euro entspricht, und sollen im Gegenzug den Tätern vergeben. Bestimmte Gruppen sind jedoch von der Rehabilitation und den Kompensationszahlungen ausgeschlossen, was den Unmut und somit die Gewaltbereitschaft von Personen dieser Gruppen fördert. Weibliche Ex-Kombatanten, Nicht-Kombatanten, z.B. Sex-Arbeiterinnen und zivile Opfer haben bis jetzt wenig oder keine Entschädigung bekommen. Dieses eindimensionale und mangelhafte System der Entschädigung entspricht nicht den Bedürfnissen der Opfer nach Wahrheitsfindung, Entschuldigung und gerichtliche Verfolgung der Täter massiver Menschenrechtsverletzungen. Die Organisation RPuK entwickelte ein Konzept des „Community Memorandum of Understanding“, um den Prozess der Wiedergutmachung in Gang zu setzen und kriegsbedingten Traumatisierungen einen ersten Ausdruck zu ermöglichen. Dieses Konzept beinhaltet ein Treffen von Vertretern der GAM, des indonesischen Militärs und der Dorfgemeinschaft, um Forderungen nach Wiedergutmachung zu artikulieren und Lösungsmöglichkeiten zu suchen, die den Bedürfnissen der DorfbewohnerInnen zugute kommen. Partizipative Schritte der Kriegsbewältigung und Prozesse der Wiedergutmachung, in denen Traumatisierungen benannt und zumindest ansatzweise aufgefangen werden können, sind 115 wichtig, um eine Gesellschaft zu fördern, die stabil genug ist, Alternativen zu der gewohnten Spirale der Gewalt entwickeln zu können. Ausblick Das Ende des offiziellen Wiederaufbaus Acehs 2009 wird den Rahmen des komplexen Transformationsprozesses verändern. Der Abzug internationaler Hilfsorganisationen und die Beendigung von nationalen Programmen entlassen die Provinz einen Schritt mehr in eine Autonomie, die für viele Freiheitskämpfer einen Kompromiss darstellt. Inwieweit die politischen Machtspiele in Aceh, vor allem die fehlende personelle Veränderung innerhalb der einflussreichen Elite und die vorhandenen sezessionistischen Bewegungen, den Friedensprozess destabilisieren werden, wird sich in Zukunft zeigen. Die nationalen, regionalen und lokalen Parlamentswahlen Mitte 2009 werden als Indikator für eine Konsolidierung der Demokratie in Aceh gesehen. Die neu gegründete lokale Frauenpartei „Partei der Volksallianz Acehs für Frauenangelegenheiten“ (Partai Aliansi Rakyat Aceh Peduli Perempuan/PARA) hat die Voraussetzungen für die Zulassung zur Wahl 2009 nicht geschafft. Grund hierfür ist ein Mangel an personeller und finanzieller Kapazität. Es war PARA nicht möglich, genug regionale Büros mit Repräsentantinnen und Repräsentanten aufzubauen. PARA wurde aufgelöst und die Mitglieder haben sich auf andere Parteien, die zur Wahl zugelassen worden sind, aufgeteilt.10 Da der politische Wille der Entscheidungsträger in Aceh bezüglich der Umsetzung von Frauenrechten und einer geschlechtergerechten Demokratie weiterhin fragwürdig bleibt, ist die Stärke und die Einflussnahme von zivilgesellschaftlichen Institutionen von zentraler Bedeutung. Die starke gesellschaftliche und politische Ausgrenzung während des sezessionistischen Unabhängigkeitskampfes und unter der Ära Suhartos drängte Frauen in die Passivität und beschränkte ihre Machtfelder auf den informellen Bereich. Die orthodoxe und patriarchale Auslegung der Scharia-Gesetze durch konservative Autoritäten schlagen in dieselbe Kerbe und enttäuschten die Hoffnung auf die Verbesserung der angespannten sozio-ökonomischen Lage in Aceh. Die Agenden der Frauenaktivistinnen sind immer noch abhängig von ihrer sozio- politischen und religiösen Akzeptanz. Trotz dieser Hindernisse haben Frauenaktivistinnen ihre Chancen wahrgenommen, um ihren Forderungen Lautstärke zu geben. Durch die Hilfsprogramme nach dem Tsunami und den Systemwechsel nach der Unterzeichnung des MoU konnten Frauenrechtsorganisationen ihre Kapazitäten ausbauen und öffentliche Diskussionen über 10 Insgesamt haben sich neben den nationalen Parteien 20 lokale Parteien in Aceh gegründet. Nur sechs davon konnten die Zulassungsbestimmungen erfüllen. Insgesamt treten 43 Parteien, also 37 nationale und 6 lokale zur regionalen und lokalen Wahl an. 116 Kristina Großmann - Agents of Change ASEAS 1 (2) Geschlechterverhältnisse anstoßen. Die Ergebnisse von frauenspezifischen Kongressen, Tagung- en und Netzwerken stellen einen wichtigen input bezüglich politischer und gesellschaftlicher Prozesse dar. Im Rahmen des sich konsolidierenden Demokratisierungsprozesses in Aceh wird zu sehen sein, wie sich der Output in Form von verbindlichen Zusagen der politischen Elite an zivilgesellschaftliche Gruppen gestaltet und vor allem, welche Outcomes, das heißt, welche konkreten Auswirkungen bezüglich Geschlechtergerechtigkeit festgestellt werden können. Bibliographie Blackburn, S., (2004). Woman and the State in Modern Indonesia. Cambridge: University Press. Crisis Management Initiative (CMI) (2006). The Aceh Peace Process. Helsinki. DED (2007). Zeitschrift des Deutschen Entwicklungsdienstes, 44.Jahrgang. Bonn. Derichs, C. & Heberer, T. (Hrsg.) (2006). The power of ideas. Intellectual input and political change in East and Southeast Asia. Copenhagen: NIAS. Dinkelaker, S. (2008). Frauen in Aceh, Tsunami – Friedensprozess – Scharia. SUARA 1/2008. Gender Working Group (2007). Evaluation on Woman in Aceh in 2006, Entwurf. Holthouse, K. (2007). Aceh Election. Inside Indonesia 2/2007. Kamaruzzaman, S. (2000). Woman and the war in Aceh. Inside Indonesia 4/2000. Kleine-Brockhoff, M. (2007). The shadows of the past. Asia Pacific Times. Dezember 2007. Eingesehen, 18. Dezember 2008 unter http://www.asia-pacific-times.com/index.php?option=com_content&task=vie w&id=538&Itemid=17. Schröter, S., 2007: Acehnese culture(s). Plurality and homogeneity. In Graf, A., S. Schröter, & E. Wieringa (Hrsg.). Aceh. Culture, history, politics. Singapur: ISAS, (im Druck). Siapno, J., A. (2002). Gender, Islam, Nationalism and the State in Aceh. The Paradox of Power, Co- option and Resistance. London: Routledge. Sulaiman, M. I. (2006). From Autonomy to Periphery: A Critical Evaluation of the Acehnese Nationalist Movement. In Reid, A. Veranda of Violence. Singapore: NUS Press. Waylen, G., (2007). Engendering transitions: womań s mobilisation, institutions and gender outcomes. Oxford: University Press. 117