Rezensionen / Reviews (ASEAS 3-1) ASEAS 3(1) 112 Rezensionen / Review ASEAS - Österreichische Zeitschrift für Südostasienwissenschaften / Austrian Journal of South-East Asian Studies SEAS - Gesellschaft für Südostasienwissenschaften / Society for South-East Asian Studies - www.SEAS.at Heidbüchel, Esther (2007). The West Papua Conflict in Indonesia: Actors, Issues and Approaches. Gießen, Deutschland: Johannes Herrmann J&J-Verlag. ISBN: 978-3-937983-10-3. 223 Seiten Nach dem Sturz des Langzeitpräsidenten und ehemaligen Generals Suharto im Jahr 1998 fand einer der langwierigsten Konflikte der Geschichte Indonesiens zunehmend internationale Beachtung. Das Interesse der Weltöffentlichkeit wurde nicht zuletzt durch die innenpolitischen Veränderungen in der Post-Suharto-Ära geweckt. In dieser wurde West-Papua 2001 eine Sonderautonomie zugestanden, und es erfolgte eine Teilung in die zwei Provinzen Papua und Irian Jaya Barat (später in Papua Barat umbenannt). Eine Reihe an vorwiegend politikwissenschaftlichen Arbeiten beschäftigte sich seitdem mit der Darstellung des nach wie vor aktuellen Konflikts. Die hier rezensierte Publikation ist eine davon. In der Einführung ihres Buches „The West Papua Conflict in Indonesia“ stellt Esther Heidbüchel ihre Zielsetzung dar, nämlich die gegenwärtige Komplexität des multidimensionalen Papuakonflikts im Rahmen eines „empirisch-analytischen“ Ansatzes zu entschlüsseln. Ihre Arbeit bezeichnet sie als interdisziplinär. Die auf die AkteurInnen des Konflikts zentrierte Analyse, die bis in die Mitte des Jahres 2006 reicht, ist hauptsächlich in der Politikwissenschaft und in der Konfliktforschung angesiedelt. In geringem Maße greift die Autorin auch Konzepte aus den Kommunikationswissenschaften, der Sozialpsychologie und der Anthropologie auf. Trotz dieses interdisziplinären Ansatzes dominiert ein politikwissenschaftlicher Jargon. http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/ ASEAS 3(1) 113 Rezensionen / Reviews Die Autorin nähert sich der Thematik mit einer Konfliktgenese, in der sie die wesentlichsten historischen Ereignisse in chronologischer Reihenfolge nachzeichnet und sich in die allgemein gängige Geschichtsschreibung einreiht, die den Papuakonflikt als separatistisch und ethnopolitisch klassifiziert. Das wesentliche Augenmerk bezieht sich dabei auf die heftig umstrittene Eingliederung West-Papuas in den damals jungen indonesischen Nationalstaat. Dieser im Rahmen der Dekolonisierung des ehemaligen Niederländisch-Indiens entstandene Territorialstreit zwischen den Niederlanden und Indonesien wurde unter der Mitwirkung der Vereinten Nationen 1969 mit dem „Act of Free Choice“ endgültig zugunsten Indonesiens entschieden und bildet den historischen Auslöser des in seiner Komplexität seither gewachsenen Konflikts. Um dieser Komplexität gerecht zu werden, entwickelt die Autorin für ihre Analyse eine „multi-level-structure“ und unterteilt den Konflikt in drei „meta levels“, nämlich in „the international, the national Indonesian and the local Papuan level“ (S. 28). Jene drei Metaebenen bestimmen im Wesentlichen die drei analytischen Abschnitte ihrer Arbeit. Der erste Abschnitt beinhaltet eine Bestandsaufnahme der unterschiedlichen AkteurInnen und Interessen, der zweite stellt eine Konfliktmatrix vor, in welcher einzel- ne Konfliktbereiche identifiziert, den „meta levels“ zugeordnet und Überschneidungen aufgezeigt werden, und der dritte untersucht Konfliktlösungsstrategien. Die Autorin verortet zunächst die AkteurInnen innerhalb der einzelnen Metaebenen. Auf internationaler Ebene jene mit sicherheitsspezifischen und wirtschaftlichen Interessen (Australien, USA) und BeobachterInnen (die Niederlande, die UN und in geringem Ausmaß die EU). Auf nationaler Ebene jene der Zentralregierung und der Provinzregierungen, den vom Konflikt profitierenden Sicherheitsapparat bestehend aus Polizei und Militärtruppen sowie („spontane“) TransmigrantInnen. Sie fasst diese unter dem Titel „the actors on the Indonesian side“ zusammen. Diese Klassifizierung erweist sich jedoch als problematisch, da die beiden Provinzregierungen von Papua und Irian Jaya Barat, die mittlerweile zunehmend von ethnischen Papuas dominiert werden, sowie andere Einrichtungen auf Provinzebene somit einer indonesischen Seite zugeschrieben werden. Eben dies passiert mit TransmigrantInnen, welche die Autorin als „closed community“ bezeichnet. Auch diese Behauptung ist kritisch zu hinterfragen, bedenkt man die Heterogenität innerhalb dieser Gruppe. Die lokale Ebene bildet mit ihrer Vielzahl an AkteurInnen schließlich die weitaus dichteste Ebene dieser Bestandsaufnahme. In einer umfangreichen Auflistung werden hier ASEAS 3(1) 114 die politischen, studentischen, zivilen, religiösen u.a. Organisationen erwähnt und teilweise ausführlich beschrieben. Auch dieser analytische Schritt ist nicht gänzlich nachvollziehbar, scheinen doch auf dem „local level“ nur Papuas zu agieren. Um die Charakteristika der unterschiedlichen „levels“ zu veranschaulichen führt Heidbüchel eine weitere Unterteilung ein, nämlich die in eine horizontale und eine vertikale Dimension. Sie schreibt dazu: „The vertical dimension is concerning the conflict between the Indonesian Central Government and the West Papuan directly involved actors. The horizontal dimension deals with the current emergence and aggravation of conflicts on the local Papuan level. Here the issues are socio-economic by nature, whereas the issues of the vertical dimension are political” (S. 112). Durch solche Formulierungen entsteht der Eindruck, dass die papuanische Lokalebene einer politischen Dimension entbehrt. Des Weiteren erarbeitet die Autorin eine Konfliktmatrix, in der sie „conflict issues“ identifiziert, beschreibt, deren zugrunde liegende Ursachen bestimmt und sie in ihrer „multi-level-structure“ verortet. Der Komplexität des Konflikts entsprechend umfasst diese Analyse eine Vielzahl unterschiedlicher Bereiche und Prozesse, wie Sicherheitsinteressen, die Geschäfte des staatlichen Sicherheitsapparats, rechtliche Unsicherheit und Defizite in der Implementierung der Sonderautonomie, Menschenrechtsdiskurse, Korruption, Ressourcenausbeutung und die Herausbildung einer Papua-Identität, um nur einige zu nennen. Es folgt eine Analyse unterschiedlicher Konfliktlösungsansätze, wozu zwei weitere Unterscheidungsebenen eingeführt werden, nämlich das „factual, objective level, which entails the hard facts and political demands“ und das „relational, subjective level, which is dealing with the emotional frame related issues such as fear and trust“ (S. 8). Angst und gegenseitiges Misstrauen prägen die gegenseitige Wahrnehmung der involvierten AkteurInnen, wie Heidbüchel berechtigt feststellt, was sie zu der Schlussfolgerung führt, dass der Konflikt nicht nur auf rein politische Weise gelöst werden kann, sondern auch der Berücksichtigung des „relational levels“ bedarf. Heidbüchels Resümee lautet wie folgt: Der Rahmen des gegenwärtigen Konflikts kann in drei Übergangsphasen gesehen werden: (1) Der Demokratisierungsprozess Indonesiens, in dem es um das Supremat ziviler Kräfte über das Militär geht, das einer friedlichen Lösung des Konflikts als „most powerful veto actor“ im Weg steht; (2) West-Papuas Übergang von der „totalen Unterdrückung“ zur „relativen ASEAS 3(1) 115 Sonderautonomie“. Hier spricht die Autorin von einer großen Herausforderung für die indigenen Papuas, da diese bis vor kurzen vom politischen Leben ausgeschlossen waren und daher nicht genügend Papuas über die Fähigkeiten verfügen, politische Verantwortung zu übernehmen. Dies führt schließlich zu Misswirtschaft staatlicher Gelder und zu Korruption; (3) Die kulturellen Veränderungen innerhalb der indigenen Bevölkerung, ausgelöst durch die „Ankunft der Moderne“ in einer von der Autorin verallgemeinernd als traditionell dargestellten indigenen Gesellschaft. Den Schlüssel zur Konfliktlösung entdeckt Heidbüchel in einem Ansatz, den sie als „trinity approach“ bezeichnet und der aus den Komponenten Dialog, Vertrauen und Versöhnung besteht. Die Wahl dieses Terminus, der bewusst der christlichen Terminologie entnommen wurde, begründet sie u.a. mit einem durch christliche Werte geprägten kulturellen Hintergrund der Bevölkerung West-Papuas. Dass die Bevölkerung West-Papuas jedoch auch aus muslimischen ImmigrantInnen und zu einem geringen Teil muslimischen Papuas besteht, wird mit diesem Ansatz nicht berücksichtigt. Die Autorin trägt allerdings der interreligiösen Dimension des Papuakonflikts Rechnung, wenn sie das von der katholischen Diözese in Jayapura ins Leben gerufene, inter- religiös ausgerichtete Konzept des „Tanah Damai“ (Land des Friedens) beschreibt und als mögliche Plattform einer beginnenden Konflikttransformation auf lokaler Ebene ansieht. Mit „The West Papua Conflict in Indonesia“ legte Esther Heidbüchel ein umfangreich recherchiertes Buch vor, welches sich vor allem durch die deskriptive Darstellung der zahlreichen in den Konflikt involvierten AkteurInnen, Konfliktbereiche und Lösungsstrategien kennzeichnet. Die Autorin verschafft den LeserInnen einen Überblick und ersten Einblick in eine komplexe und dynamische Konfliktlandschaft. Die analytische Seite dieser Arbeit zeigt jedoch in einigen Bereichen Schwächen. Eine Reduktion der AkteurInnen des Konflikts auf eine indonesische und eine Papua-Seite kann nicht im Interesse einer Konfliktanalyse sein, die auf eine Konfliktentschärfung abzielt. Die Feststellung, dass ein derartig vielschichtiger Konflikt wie in West-Papua nicht nur politisch gelöst werden kann, wird wohl kaum jemand bestreiten und ist keine wirklich neue Erkenntnis, obwohl Heidbüchel damit zumindest über den Tellerrand einer enger gefassten politikwissenschaftlichen Betrachtungsweise hinausblickt. In ihrer Conclusio gewinnt der Begriff Kultur, den sie nach Kevin Avruch als „actor related concept“ definiert, eine zentrale Bedeutung: Rezensionen / Reviews ASEAS 3(1) 116 „Culture matters. The West Papua conflict can not be solved politically only due to the highly differing cultures which collide in West Papua. The cultural backgrounds determine the frames used for the cognitive processing of the situation and the perception of respective issues“ (S. 191). Mit dieser Formulierung schließt die Analyse, die an Huntingtons „clash of civilizations“ erinnert und in der ein Kulturbegriff zur Anwendung kommt, der Kulturen als statische, in sich geschlossene, homogene Einheiten begreift. Eine Konfliktanalyse, die nahe legt, dass hier eine vermeintlich unter- oder weniger entwickelte Papua-Kultur auf eine moderne indonesische Kultur trifft, reproduziert nur Stereotype und wird der Komplexität der gegenwärtigen gesellschaftlichen Prozesse in West-Papua nicht gerecht. Christian Warta Österreichische Akademie der WIssenschaften Chua, Christian (2008). Chinese Big Business in Indonesia: The state of capital. London and New York: Routledge. ISBN: 978-0-415-45074-4. 192 pages This book considers itself to be about the political economy of Chinese big business in Indonesia. Of the biggest business groups, most are either owned or headed by persons belonging to the ethnic minority of Sino-Indonesians. In his book Christian Chua attempts to illustrate why down to the present day there are almost no big corporations owned or controlled by members of other ethnic groups. As Chua outlines within the first few chapters of his work, he attempts to fill a gap in present literature on the Chinese ethnic minority in Indonesia, which either tends to pursue a culturalist or a structuralist approach. The culturalists, to put it in a somewhat simplified way, try to explain the present situation from a point of view mainly focusing on ethnicity. They consider economic networks within South-East Asia as a mere web of trust and connections based on cultural and ethnic likeness, which leaves them somewhat unable to explain the very special Indonesian situation. The structuralists on the other hand, Chua states, insist on the idea of a Chinese minority as a capitalist class, eliminating the culturalist point of view. This, however, made it possible for them to look much deeper into the state-business relationship (p. 13). But both approaches, as Chua never wearies of stressing, fail in the attempt to