Rezension: Schneider, Helmut, Jordan, Rolf, & Waibel, Michael (Hrsg.) (2012). Umweltkonflikte in Südostasien ASEAS 5(2) 373372 Rezensionen / Book Reviews Schneider, H., Jordan, R., & Waibel, M. (Hrsg.) (2012). Umweltkonfl ikte in Südostasien. Berlin, Germany: Horlemann. ISBN: 9783895023309. 234 Seiten. Citation Gärtner, J. (2012). Rezension: Schneider, H., Jordan, R., & Waibel, M. (Hrsg.) (2012). Umweltkonflikte in Südostasien. ASEAS - Österreichische Zeitschrift für Südostasienwissenschaften, 5(2), 372-375. In den letzten Jahrzehnten ist weltweit eine deutliche Zunahme von Umweltkonflikten zu beobachten. Nicht zuletzt aufgrund des erheblichen Wirtschaftswachstums in Süd- ostasien haben sich solche Konflikte in der Region verstärkt. Das Buch Umweltkonflikte in Südostasien, herausgegeben von Helmut Schneider, Rolf Jordan und Michael Waibel, nimmt mehrere Fallbeispiele aus verschiedenen Ländern unter die Lupe, um die jewei- ligen Umweltkonflikte in Bezug auf ihre sozio-ökonomischen und politischen Kontexte zu untersuchen. Der Sammelband ist in ein Einführungskapitel und sechs Fallbeispiele gegliedert, insgesamt 14 AutorInnen stellen ihre Forschungsergebnisse vor. Den Herausgebern zufolge wird durch die wachstumsorientierte, kapitalistische Pro- duktionsweise das Ausmaß der Auswirkungen von Umwelteingriffen verstärkt. Dass sich diese Produktionsweise negativ auf die Umwelt auswirkt, ist heute zwar allgemein be- kannt, ändert allerdings noch wenig am Verhalten von KonsumentInnen und Produzen- tInnen. Dies bewerten die Herausgeber besonders kritisch, da immer deutlicher wird, dass Umweltprobleme nicht lokal begrenzt sind, sondern zunehmend zu einem globa- len Problem werden und auf unterschiedlichen Ebenen ineinandergreifen. Die Autoren des Einleitungskapitels argumentieren, dass sich Umweltkonflikte in Zukunft weiter ver- schärfen werden. Diese Hypothese wird vor allem mit Verweisen auf wachsende Um- weltschäden, steigende Rohstoff- und Nahrungsmittelpreise sowie zunehmenden Land- raub untermauert. Zudem machen der Klimawandel und der Druck zur Inwertsetzung von natürlichen Ressourcen, der von den Finanzmärkten ausgeht, eine Verschärfung von Umweltkonflikten wahrscheinlich. Da Umweltkonflikte meist multikausal bestimmt sind, ist es besonders wichtig, die Konflikte in ihrer Komplexität zu betrachten und in ihren jeweiligen gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Kontext einzubetten. Hier verweisen die Herausgeber auf das „Forschungsprogramm der Politischen Ökologie“ (S. 16), das als Analyserahmen für die einzelnen Beiträge des Sammelbandes dient. d o i 10 .4 23 2 /1 0. A SE A S -5 .2 -1 4 ASEAS 5(2) 373372 Im ersten Fallbeispiel behandelt Rolf Jordan den Konflikt um Wasser zwischen Ma- laysia und dem Stadtstaat Singapur. In den 1960er Jahren schloss Singapur zwei Ver- träge über Wasserlieferungen mit Malaysia ab, von denen einer 2011 endete. Malaysia verlangte daraufhin mehr Geld für die von ihnen bereitgestellten Wasserlieferungen. Um die Komplexität des Konflikts zu verstehen, muss beachtet werden, dass Malaysia selbst ein zunehmendes Wirtschaftswachstum und somit einen erhöhten Wasserver- brauch verzeichnet. Es handelt sich dementsprechend um einen Mehrebenen-Konflikt: zum einen der zwischenstaatliche Konflikt der beiden Länder, zum anderen der Kon- flikt zwischen Haushalten und Industrie sowie zwischen dem Industrie- und Agrarsek- tor innerhalb Malaysias. Singapur erkannte das Problem und bemühte sich schnell, un- abhängiger von den Wasserlieferungen Malaysias zu werden. Es wurden Technologien mit besonderer Effizienz und niedrigen Kosten entwickelt und die Regierung leistete zusätzlich Aufklärungsarbeit, um der Bevölkerung die neuen Technologien vorzustellen und ein Bewusstsein für die Wasserknappheit des Staates zu schaffen. In diesem Sinn kann der Konflikt durchaus als ein positives Beispiel verstanden werden, wie National- staaten Probleme friedlich lösen und durch kluge technologische Konzepte Lösungen für das Spannungsverhältnis zwischen Wirtschaft und Umwelt finden können. Helmut Schneider behandelt im anschließenden Kapitel einen innerstaatlichen Kon- flikt in Kambodscha um die Nutzung des Boeng Kak Sees in Phnom Penh, in dem deut- lich wird, wie der Staat und erfolgreiche Unternehmen ihre Macht zulasten der Bevöl- kerung nutzen können. In einem weiteren Beitrag behandeln Rüdiger Korff und Stefanie Wehner die Ver- flechtung von lokaler, nationaler und globaler Ebene in Konflikten um Land in der Me- kong-Region. Während Landkonflikte in dieser Region aufgrund verschiedener Anbau- methoden und ethnischer Gruppen keine Neuheit sind, wurden solche Konflikte bis in die 1980-er Jahre „nicht immer friedlich, aber doch auf lokaler Ebene gelöst“ (S. 122). Ab den 1980-er Jahren wurde die Region zunehmend in den Weltmarkt eingegliedert, wodurch lokale Strukturen an nationalstaatliche Gegebenheiten angepasst werden mussten. Diese Entwicklung hatte oft negative Auswirkungen auf die Bevölkerung, da sie dadurch an Entscheidungsmacht verlor. Die AutorInnen zeigen, dass es in diesem Zusammenhang nicht nur um wirtschaftliche Interessen ging, sondern auch um Um- weltschutzprogramme und Initiativen zur Armutsminderung, die zur Systematisierung der gewohnheitsrechtlich geprägten Lebensweise der Bevölkerung beitragen sollten. Jessica Gärtner - Rezension: Umweltkonflikte in Südostasien ASEAS 5(2) 375374 Besonders anschaulich schildern sie dieses Problem am Beispiel der Ausweisung loka- ler Bevölkerungsgruppen aus Nationalparks zum Schutz der Wälder. Dadurch kam es teilweise zu einer „kulturellen Diskriminierung“ (S. 125), denn „die lokalen Ressourcen wurden der lokalen Kontrolle entzogen“ (S. 124). Dieses Beispiel zeigt, dass die komple- xen Interessen von unterschiedlichen AkteurInnen (NGOs, Nationalstaat, internationa- le Konzerne, lokale Bevölkerung) oft schwer bis gar nicht zu vereinbaren sind. Im nächsten Kapitel widmen sich Melanie Pichler und Oliver Pye der Expansion von Palmölplantagen in Indonesien und deren Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft. Als treibende Kräfte hinter dieser Expansion werden insbesondere die Europäische Uni- on, die durch eine verpflichtende Beimischung von Agrotreibstoffen die Palmölexpansi- on weiter antreibt, transnationale Konzerne aus Malaysia und Singapur, die großen Ein- fluss auf die Palmölindustrie in Indonesien ausüben, und indonesische Konglomerate genannt. Die monokulturelle Palmölproduktion in Indonesien führt zu komplexen sozi- alen und ökologischen Problemen. Insbesondere Landkonflikte durch die Missachtung der traditionellen Rechte indigener Bevölkerungsgruppen sind hier von Bedeutung. Während die AutorInnen den durch die zunehmenden Konflikte entfachten Diskurs um nachhaltiges Palmöl als unzureichend bewerten, werden soziale Netzwerke und loka- ler Widerstand als zentrale Aspekte für Veränderungen identifiziert. Im darauffolgenden Kapitel analysieren Gunnar Stange, Kristina Großmann und Ro- man Patock die Auswirkungen des Tsunamis im Dezember 2004 auf den seit 30 Jahren anhaltenden Konflikt zwischen der Provinz Aceh und der Zentralregierung Indonesiens. Dabei legen die AutorInnen besonderen Wert auf die „kontextspezifische[n] Handlungs- spielräume und Handlungsstrategien von Akteuren“, die sie als Agency bezeichnen (S. 169) und analysieren die asymmetrische Einbindung von Frauen, sowohl in internatio- nalen Hilfsprogrammen als auch auf lokaler Regierungsebene. Im letzten Kapitel thematisieren Sebastian Koch, Jan Barkmann und Heiko Faust die unterschiedlichen Ebenen des Landnutzungskonflikts in Zentralsulawesi, Indonesien. In diesem Zusammenhang werden die Expansion des Kakaoanbaus und die etwa zeit- gleiche Gründung des Lore Lindu Nationalparks im Jahr 1982 als zentrale Konfliktbe- dingungen analysiert. Angelehnt an die Theorie der politischen Ökologie verweisen die Autoren auf die Interdependenz der Interessen der verschiedenen AkteurInnen. Zum einen geht es um die Interessen der globalen Gemeinschaft in Bezug auf den Umwelt- schutz. Die fehlende Einbeziehung der lokalen Bevölkerung in die Planung des National- ASEAS 5(2) 375374 parks führte allerdings in vielen Fällen zu Konflikten und wirkte sich zum Teil nachteilig auf die in Sulawesi lebende Bevölkerung aus. Auch die Interessen der internationalen Kakao-KonsumentInnen haben nur teilweise positive Folgen für die ProduzentInnen. Diese Entwicklung steht in Zusammenhang mit einem nationalen Konflikt, da durch die entstehenden Arbeitsplätze mehr Menschen in dieses Gebiet migrieren, was nega- tive Folgen für die lokalen Kleinbauern und –bäuerinnen haben kann. Obwohl das Buch durch den Fokus auf Umweltkonflikte viele Probleme aufzeigt, schaffen es die AutorInnen, auch positive Entwicklungen zu benennen. Durch den Fo- kus auf lokale Widerstandsgruppen in den diversen Ländern wird darauf aufmerksam gemacht, dass marginalisierte Bevölkerungsgruppen nicht in Unmündigkeit verharren müssen. Allerdings wird auch deutlich, dass die Machtverhältnisse nach wie vor asym- metrisch verteilt sind und sich viele benachteiligte Bevölkerungsgruppen kaum gegen Ungerechtigkeiten wehren können. Die Herausgeber machen bereits in der Einleitung des Sammelbandes darauf auf- merksam, dass sie sich nicht nur auf eine theoretische Analyse der Fallbeispiele ein- lassen, sondern konkrete Lösungsvorschläge aufzeigen wollen. Das Konzept der politi- schen Ökologie gilt als Analyserahmen für die einzelnen Kapitel und der Konfliktbegriff ist wesentlicher Ausgangspunkt für die Fallbeispiele. Trotzdem fehlen leider konkrete Vorschläge zur Konfliktlösung. Die Ursachen der Umweltkonflikte und die Interessen der verschiedenen AkteurInnen werden schlüssig dargestellt, jedoch ohne neue Ideen zur Bewältigung dieser Probleme vorzustellen. Trotzdem gibt das Buch interessante Einblicke in die Komplexität von Umweltkonflikten. Der Hinweis auf die teilweise am- bivalenten Programme von Umweltschutz- und Menschenrechtsorganisationen ist be- sonders im Hinblick auf die Zukunft der internationalen Entwicklungszusammenarbeit interessant. Jessica Gärtner Universität Wien, Österreich