ASEAS 14(1) | 139 Malaysia-News - eine Facebook-Gruppe: Ein Erfahrungsbericht in Social Media Nutzung Gerhard Berkaa a Austrian-Malaysian Society, Austria ► Berka, G. (2021). Malaysia-News – eine Facebook Gruppe: Ein Erfahrungsbericht in Social Media Nutzung. Austrian Journal of South-East Asian Studies, 14(1), 139-143. This paper deals with a Facebook-group named Malaysia-News. This group was founded in August 2019 and saw a rapid increase in members, especially in Southeast Asia. The analysis of the development of this group is based on data from Facebook and concerns the expansion of membership and the motivation to join. It shows that membership in- creased significantly after incisive events took place in Malaysia in early 2020 and that users are primarily looking for trustworthy information. Keywords: Facebook; Malaysia; Movement Control Order; Online-Forschung; Social Media  FRAGESTELLUNG UND METHODIK Am 10. August 2019 entschloss sich der Autor dieses Berichts im Rahmen der Internet-Plattform Facebook eine Gruppe unter den Namen Malaysia-News zu gründen.1 Die News-Gruppe sollte Informationen über Malaysia an interes- sierte Österreicherinnen und Österreicher vermitteln und war als Service der österreichisch-malaysischen Gesellschaft gedacht. Tatsächlich entwickelte sie sich zu einer der führenden Facebook-Gruppen über Malaysia und erreichte am 1. Juni 2020 den Stand von 22.000 Mitgliedern. Diese Untersuchung stellt eine explorative Studie dar und beabsichtigt, mögliche Ursachen für das Wachstum dieser Facebook-Gruppe zu finden. Methodisch beruht diese Untersuchung auf die zugänglichen Daten von Facebook und dem Vergleich mit parallel stattgefundenen Online-Studien (Chin, 2020; Ika & Nuurianti, 2020). Diese Studie ist kein geplantes Forschungsprojekt, sondern entstand aus der laufenden Beobachtung der Gruppe. Die Methode beruht auf der Idee des „bastelnden Denkens“ (Humer, 2020). STRUKTUR UND DYNAMIK VON MALAYSIA-NEWS Die Malaysia-News-Gruppe startete am 10. August 2019 mit 7 Mitgliedern und erreichte mit 1. Juni 2020 22.000 Mitglieder. Das ist ungewöhnlich, denn es wurde vom Administrator keine Werbung betrieben. Der Mitgliederzuwachs entwickelte sich wie folgt: 1 Die Gruppe ist für jede Person offen. Netzwerk Südostasien  Network Southeast Asia w w w .s ea s. at 10 .1 47 64 /1 0. A SE A S- 00 50 140 | ASEAS 14(1) Malaysia-News - eine Facebook-Gruppe Vom Gründungsdatum der Gruppe im August 2019 bis Mitte März 2020 zeigt sich ein gleichmäßiger, sanfter Anstieg. Mit dem Beginn der Movement Control Order (MCO)2 am 18. März bis zu den ersten Lockerungen Ende April ist ein starker Anstieg der Beitritte zu sehen. Ab diesem Zeitpunkt beginnt die Kurve weiter abzuflachen. Die Entwicklung in der ersten Phase bis zum Erlass der MCO lässt sich durch die Empfehlungspolitik von Facebook erklären, das heißt, Facebook schlägt regelmäßig jedem Nutzer Gruppen vor, die für ihn oder sie von Interesse sein könnten. Dabei wird ein spezieller Algorithmus verwendet. Des Weiteren verfügen die Nutzerinnen und Nutzer selbst über die Option, Freunde aus ihrer Liste in eine Gruppe einzuladen. Diese beiden Funktionen führ- ten dazu, dass durch das Schlagwort „Malaysia“ im Algorithmus eine Gewichtung der Mitglieder in Richtung Asien durchgeführt wurde. Da die ursprüngliche Zielgruppe – interessierte Österreicherinnen und Österreicher – für den Facebook-Algorithmus nur geringe Vernetzungsaktivitäten im Sinne des Gruppenthemas zeigten, wurden sie vom Algorithmus nicht bemerkt. Dies konterkarierte die ursprüngliche Intention einer Informationsgruppe für europäische Nutzerinnen und Nutzer und verschob bildlich gesprochen mitgliedermäßig die Gruppe von Europa nach Asien. Mit dem Ausbruch der Corona-Krise Mitte März 2020 stieg das Informations- interesse in Südostasien massiv an, wodurch die Beitrittsrate stark anstieg. Es ist anzunehmen, dass in dieser Phase die NutzerInnen aktiv die Suchfunktion von Facebook nutzten und diese Gruppe fanden. Ebenso wurde die Gruppe von Mitgliedern intensiv weiterempfohlen. Erst mit den ersten Lockerungen der MCO beginnt die Beitrittskurve langsam wieder abzuflachen. Bezüglich der Aktivitäten zeigt es sich, dass im Schnitt bis zum Beginn des MCO am 19. März nur ein Viertel bis zu einem Drittel der Mitglieder pro Tag die Gruppenseite abriefen. Ab dem MCO stieg dieser Wert auf die Hälfte der Mitglieder an. Mit Ende März stabilisierte sich der Aktivitätsanteil wieder auf rund 25% (siehe Figure 2). Im Vergleich kam es nach einer Studie von The Centre vom April 2020 im März 2020 zu drei signifikanten Spitzen im malaysischen Internet-Traffic, nämlich am 29. Februar (vor der Angelobung vom neuen Ministerpräsidenten Tan Sri Muhyddin Yasin), am 12. März (die Bekanntgabe des Tabligh-CoViD-Clusters) und am 19. März (Tag nach 2 Am 18. März 2020 von der malaysischen Regierung erlassenen Ausgangsbeschränkungen. Figure 1. Mitgliederentwicklung. (own compilation). ASEAS 14(1) | 141 Gerhard Berka der Einführung der Movement Control Order) (Chin, 2020). Die Stichwortsuche in der Suchmaschine Google entspricht diesen Spitzen. Die Suche mit den Stichworten „Muhyddin Yassin“ und ähnliche erreichte am 29. Februar einen Spitzenwert, ebenso die Stichwortsuche „Tabligh“ am 12. März. Einzig die Stichwortsuche „MCO“ stieg ab dem 18. März kontinuierlich an, um am 24. März einen Höhepunkt zu erreichen. Tatsächlich zeigt sich in der Aktivitätskurve von Malaysia-News einige kleine zeitliche Verzögerungen. Während es um den 29. Februar zur einen Spitze mit 1.194 aktiven Mitgliedern kam, ereignete sich diese beim Tabligh-Cluster erst zwei Tage später mit 1.374 Nachfragen. Den großen Sprung gab es nach dem 19. März. Die Informationszugriffe stiegen in den nachfolgenden Tagen um das Dreifache. Hier zeigt sich eine Übereinstimmung mit den Ergebnissen in der Google-Stichwort- Auswertung. Während man die ersten beiden Ereignisse als Momentereignisse bezeichnen kann, nach denen die Aufmerksamkeit rasch abflachte, entstand zum Thema MCO stetig und dauerhaft ein Informationsinteresse, welches sich im raschen Wachstum des Mitgliederstandes von Malaysia-News äußerte. Neben dem Lesen der Postings halten sich die sonstigen Aktivitäten der User in der Gruppe im Rahmen. Nur 10 bis 20% der User, die auf Postings zugreifen, reagieren mit einem Like, Kommentar oder teilen das Posting (siehe Figure 3). Konkret verfügt man in Facebook über die Möglichkeit des simplen Lesens, des Liken eines Postings (eventuell unter Verwendung von Emojis), des Hinzufügens eines Kommentars sowie das Teilen des Postings in anderen Seiten oder Gruppen. Anhand dieser Möglichkeiten wurden sechs Spitzenpostings im Beobachtungszeitraum April 2020, in die Gruppen „Information“ und „kontroversiell“ geteilt und verglichen.3 Gemessen an den Reaktionen ergibt sich folgendes Bild (jeweilige Durchschnittswerte): GESEHEN LIKES COMMENTS SHARES Informationspostings 4,900 158 21 78.3 Kontroverse Postings 3,300 55.3 35 11 3 Die drei Informationspostings betreffen AirAsia und MCO-Regelungen. Die drei kontroversiellen Pos- tings betreffen Rohingya-Flüchtlinge. Figure 2. Mitgliederaktivität. (own compilation). Table 1. Spitzenpostings und Aktivität. (own compilation). 142 | ASEAS 14(1) Malaysia-News - eine Facebook-Gruppe Informationspostings werden öfters gelesen, dreimal mehr geliked und siebenmal mehr geteilt. Einzig bei der Anzahl der Kommentare liegen die kontroversen Postings vorne. Es ist daraus zu schließen, dass sich die User von der Malaysia-News-Gruppe Informationen erwarten, die sie auch weiterleiten können. Die Diskussion wird hin- gegen nicht aktiv gesucht. DISKUSSION Bisherige Studien zu Facebook und Twitter beruhen auf Inhaltsanalyse und Netzwerkanalyse (Esau et al., 2019, Kneidinger, 2010), ähnliches ist in der Online- Forschung in Südostasien zu beobachten (Rahman et al., 2017). Für diese spontane Studie wurden nur quantitative Facebook-Daten herangezogen. Vergleicht man die Ergebnisse aus dieser Studie mit Forschungsergebnissen von Studien, die Twitter als Datenbasis nutzten (Chin, 2020; Ika & Nuurianti, 2020), zeigt sich ein differenziertes Bild. Während Twitter eher als Diskussionsmedium gesehen wird, tritt bei Facebook der Informationsaspekt in den Vordergrund. Das erinnert daran, dass Facebook in Südostasien nach wie vor dazu genutzt wird, Nachrichten abzurufen und zu lesen, und dass dieses soziale Medium für viele als ein vertrauenswürdiges Nachrichtenmedium zur Verwendung kommt (vgl. Einzenberger, 2016; Tapsell, 2020). Man kann die Hypothese formulieren, das in Südostasien ein signifikantes Informationsbedürfnis aus vertrauenswürdigen Quellen besteht. Das Vertrauen bil- det ein Bewertungsfaktor für Social Media Gruppen in Anbetracht der bestehenden Kontrollgesetzgebung in Malaysia (Rahim & Pawanteh, 2011). Die Gruppenmitglieder zeigen ein hohes Vertrauen in die Facebook-Gruppe auf, indem sie die Beiträge lesen (liken und teilen) und die Gruppe weiterempfehlen. Worauf dieses Vertrauen basiert kann hingegen nicht allein aus der Analyse quantitativer Daten ergründet werden. Der Faktor Vertrauen (“Trust”) findet in der Social-Media-Forschung zu Südostasien noch wenig Aufmerksamkeit. Jon Chamberlain (2020) betont bei- spielsweise die Notwendigkeit von Aufbau von Vertrauen in Plattformen sozialer Medien, es fehlt allerdings entsprechende Forschung. Hier bietet sich für die Medienwirkungsforschung für Südostasien ein weites Forschungsfeld.  Figure 2. Reaktionen der User. (own compilation). ASEAS 14(1) | 143 Gerhard Berka REFERENCES Chamberlain, J. (2020, May 12). Coronavirus has revealed the power of social networks in a crisis. https:// theconversation.com/coronavirus-has-revealed-the-power-of-social-networks-in-a-crisis-136431 Chin, E. S. M. (2020, April 4). Think tank: Xenophobia, racism rampant on social media amid global Covid-19 lockdowns, Malaysia included. https://www.malaymail.com/news/malaysia/2020/04/04/think-tank- xenophobia-racism-rampant-on-social-media-amid-global-covid-19-l/1853502 Einzenberger, R. (2016). “If It’s on the Internet It Must Be Right”: An Interview with Myanmar ICT for Development Organisation on the Use of the Internet and Social Media in Myanmar. Austrian Journal of South-East Asian Studies, 9(2), 301-310. Esau, K., Frieß, D., & Eilders, C. (2019). Online-Partizipation jenseits klassischer Deliberation. Eine Analyse zum Verhältnis unterschiedlicher Deliberationskonzepte in Nutzerkommentaren auf Facebook-Nachrichtenseiten und Beteiligungsplattformen. In I. Engelmann, M. Legrand, & H. Marzinkowski (Eds.), Politische Partizipation im Medienwandel (S. 221-245). https://doi.org/10.17174/dcr.v6.0 Humer, S. (2020). Internetsoziologie. Theorie und Methodik einer neuen Wissenschaft. De Gruyter. Ika, K. I., & Nuurianti, J. (2020, April 28). How blaming others dominates Indonesian and Malaysian Twitterspheres during COVID-19 pandemic. https://theconversation.com/how-blaming-others- dominates-indonesian-and-malaysian-twitterspheres-during-covid-19-pandemic-136193 Kneidinger, B. (2010). Facebook und Co. Eine soziologische Analyse von Interaktionsformen in Online Social Networks. Springer. Rahim, S. A., & Pawanteh, L. (2011). Democratization of Information in Malaysia: A Responce to Globalization. Asian Social Science, 7(2), 3-11. Rahman, N. A. A., Hassan, M. S. H., Osman, M. N., & Waleed, M. (2017). Research on the state of social media studies in Malaysia: 2004-2015. Malaysian Journal of Communication, 33(4), 38-55. Tapsell, R. (2020). Deepening the understanding of social media’s impact in Southeast Asia. ISEAS Trends, 4. https://www.iseas.edu.sg/wp-content/uploads/2020/02/TRS4_20.pdf ABOUT THE AUTHOR Gerhard Berka is President of the Austrian-Malaysian Society in Vienna, Austria. He has a Ph.D. in Sociology and Economics and has lectured at the University of Economics in Vienna. He carries out research in the fields of innovation, international scientific cooperation and management, organic production, and renewable energy. ► Contact: gerhard.berka@gmail.com 144 | ASEAS 14(1)